Bonner Querschnitte 43/2014 Ausgabe 329
ZurückUniversität Oldenburg: Die Nachfahren der Genozide an orientalischen Christen
(Bonn, 27.11.2014) Der Direktor des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit Dr. Dr. Thomas Schirrmacher hat an der Universität Oldenburg eine Vorlesung über die europäischen Nachfahren des Genozid an orientalischen Christen von 1915 gehalten und Parallelen zur Gegenwart gezogen. Schirrmacher ist auch stellvertretender Vorsitzender des Zentralrates der Orientalischen Christen in Deutschland (ZOCD).
Seine Vorlesung âAls wäre es gestern und nicht vor 100 Jahren geschehen ... Erinnerungskulturen der Nachfahren der Genozide an orientalischen Christen in der Auflösungsphase des Osmanischen Reichesâ war Teil einer Fachtagung âGrenzen der Pluralisierung? Zur Konflikthaftigkeit religiöser Identitätsbildung und Erinnerungskultur in Europa seit der Frühen Neuzeitâ. Im Rahmen des Untergangs des Osmanischen Reiches und der Entstehung der neuen Türkischen Republik, so Schirrmacher, kamen während und nach dem 1. Weltkrieg 2,1 Mio. Armenier, 750.000 christliche Syrer (Assyrer-Aramäer) und 350.000 orthodoxe Pontos-Griechen ums Leben. Millionen flohen in Länder rund um den Orient (z. B. Russland) oder wanderten nach Europa, Nordamerika und Australien aus.
Am Ende zog Schirrmacher kritisch Bilanz: âDie wissenschaftliche Beschäftigung mit Christen aus dem Orient, die in den Westen eingewandert sind, steht völlig im Schatten der Einwanderung von Muslimen aus derselben Region. Die Christen sind insgesamt schneller und besser integriert, verursachen weniger soziale Probleme (z. B. Schulbesuch) und haben keinen extremistischen Flügel. Daher sind sie für die Medien und die Politik wenig interessant, die Wissenschaft ist dem einfach gefolgt. Die âWissenschaft vom Christlichen Orientâ, wie sie sich eher weniger denn mehr noch an etwa fünf deutschen Universitäten findet, wird derzeit immer noch weiter zurückgefahren oder blutet ganz aus (wie etwa jüngst in Bonn).â
Die Tagung war ein Kooperationsprojekt des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (BKGE) und der Abteilung Geschichte der Frühen Neuzeit der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Sie steht im Rahmen des Projekts âFreiheitsraum Reformationâ, gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM). Die Tagung stand unter der Leitung von Prof. Dr. Beate Störtkuhl.
Das besondere an der Tagung war, dass die teilnehmenden Professoren und Hochschullehrer eine groÃe Bandbreite von Disziplinen repräsentierten. Höhepunkt der Tagung war der Festvortrag im Festsaal des Alten Rathauses des Erlanger Islamwissenschaftlers Prof. Dr. Georges Tamer (Erlangen) âErinnerung und Identitätsbildung im Islamâ zum 25jährigen Jubiläum des Bundesinstituts. Schirrmacher, dessen Vorfahren aus Danzig und Königsberg stammen, gratulierte dem Direktor des Bundesinstitutes, Prof. Dr. phil. Matthias Weber, für die hervorragende wissenschaftliche Leistung des Instituts, die Erinnerung an einen Teil der Geschichte der Deutschen wach zu halten, die bis heute prägenden Einfluss habe, und dies zugleich zur Völkerverständigung zu nutzen.
Schirrmacher begrüÃte auch die Thematik der Tagung. âIn enormer Breite wurden hier die vielen Facetten der religiösen Erinnerungskultur in Geschichte und Gegenwart untersucht und vorgestellt, die für Millionen Menschen in Europa ihre Identität bestimmten. Wir brauchen viel mehr Forschung, die die enorm unterschiedliche Art und Weise, wie religiöses Denken Menschen und Gesellschaften beeinflusst, aufarbeitet.â
Links und Downloads:
· Tagung: http://www.bkge.de/Veranstaltungen/Kalender/3717-Tagung-Grenzen-der-Pluralisierung.html
· Tagung: Flyer: http://www.bkge.de/Bildarchiv/Downloads/Folder_Tagungsprogramm-Konflikthaftigkeit_100x210.pdf
· Festvortrag: http://www.bkge.de/Veranstaltungen/Kalender/3728-Erinnerung-und-Identitaetsbildung-im-Islam.html
· Festvortrag: Flyer: http://www.bkge.de/Veranstaltungen/Kalender/3728-Erinnerung-und-Identitaetsbildung-im-Islam.html
· Foto 1: Thomas Schirrmacher im Gespräch mit Prof. Georges Tamer (griechisch-orthodox) nach dessen Festvortrag im Rathaus
· Foto 2: Die Professorenrunde im Bundesinstitut
· Foto 3: Schirrmacher während seines Vortrages