Theologische Ausrichtung

Begriffe zur Bezeichnung theologischer Anliegen und Positionen sind gefährlich, weil der andere beim Hören meist schon genau zu wissen meint, wofür der andere steht und es so schnell zu einer Verurteilung kommt, bevor man den anderen überhaupt gehört hat. Dennoch wagen wir hier, drei Schlagworte zu verwenden, auch wenn uns jeder näher kennenlernen muss, der wirklich wissen will, was diese Begriffe für uns bedeuten.

Wir sind „bibeltreu“, „allianzgesinnt“ und „reformiert“.

„Bibeltreu“ bedeutet, dass wir auf der Grundlage der völligen Vertrauenswürdigkeit der Heiligen Schrift arbeiten und meinen, dass wissenschaftliche Theologie auf atheistische Methoden verzichten muss. Allein die Schrift und kein Bekenntnis ist die letzte Instanz der Gemeinde Jesu – und an dieser Verfassung wollen wir uns jeden Tag neu messen lassen, auch wenn wir wissen, dass unsere menschliche Auslegung der Schrift fehlbar sein kann und immer wieder neu mit anderen Christen diskutiert und bewährt werden muss.

„Allianzgesinnt“ bedeutet, dass wir uns nicht nur mit allen an Jesus Christus Glaubenden Menschen weltweit verbunden wissen, sondern besonders mit evangelikalen Christen zusammenarbeiten. Das tun wir unter anderem auf der Glaubensbasis der Deutschen, Schweizerischen und Österreichischen bzw. der Europäischen Evangelischen Allianz und der Glaubensbasis der Weltweiten Evangelischen Allianz. Wir suchen die Zusammenarbeit mit allen Evangelikalen, die sich in biblischer Lehre, Evangelisation, Mission und Gemeindebau engagieren.

Das verbindet uns auch mit Erweckungsbewegungen und geistlichen Aufbrüchen weltweit, von denen wir immer neu auch Anregungen nach Europa tragen wollen.

„Reformiert“ (oder „reformatorisch“) bedeutet, dass wir neben der in der Bibel breit bezeugten vollen Verantwortung des Menschen komplementär (= zwei scheinbar unvereinbare Wahrheiten ergänzen sich trotzdem gegenseitig) die vollkommene Allmacht und Souveränität Gottes in allen Dingen verkündigen. Reformiert bedeutet auch, dass wir das Alte Testament hoch schätzen, den Ordnungen Gottes eine große Rolle für alle Bereiche der Schöpfung zumessen und unsere Aufgabe nicht nur für die Gemeinde, sondern auch für die Gesellschaft sehen.

Wir sind nicht reformiert in einem konfessionellen Sinne, so dass wir die Vorordnung der Schrift vor alle Dogmatik (bibeltreu) oder das Lernen von allen missionarisch gesinnten Christen (allianzgesinnt) in Frage stellen. Wir wissen, dass das Reich Gottes größer ist, als es eine konfessionelle Richtung zum Ausdruck bringt. Dennoch ist das Bewusstsein für die eigene Position und die Ehrlichkeit anderen Christen gegenüber auch in der eigenen Zuordnung Voraussetzung für jedes Gespräch.

Unser Namensgeber Martin Bucer war reformiert und stellte doch das Bibelstudium jedes Christen und die Bibeltreue über jedes Bekenntnis. Zugleich setzte er sich wie wir für die Versöhnung und Zusammenarbeit der Christen ein und war wie wir davon überzeugt, dass gemeinsames gründliches Forschen in der Schrift und Auseinandersetzen über theologische Positionen die Einheit der Christen nicht stört, sondern fördert. Kein Wunder, dass man ihm vorwarf, selbst keine Position zu haben oder sein Fähnchen nach dem Wind zu hängen, ein merkwürdiger Vorwurf für jemanden, der am Ende für seine Überzeugungen beinahe gestorben wäre und nur durch Flucht nach Cambridge überlebte. Klarheit und Umgänglichkeit, Wahrheit und Liebe müssen keine Gegensätze sein. Wir wollen unsere Überzeugungen eindeutig, aber in Sanftmut und Ehrerbietung weitergeben (1Petr 3,15).

Martin Bucer: Exegese kommt vor der Dogmatik

Unser Namensgeber Martin Bucer (1491-1551) arbeitete zeitlebens am Text der Schrift und war immer neu bereit, auf die Schrift zu hören, gerade auch aufgrund von Anregungen seiner Gegner aller Couleur.

„Bucers Theologie ist grundlegend biblisch. Seine Schriften sind reich an Bibelzitaten, seine Kenntnis der Hl. Schrift ist außerordentlich und seine exegetische Leistung beeindruckend. Der Aufbau seiner Ekklesiologie ist niemals Ergebnis einer Reihe dogmatischer Prämissen, die er erst a posteriori mit Bibelzitaten belegt hätte, sondern Frucht unermüdlichen exegetischen Forschens und Reflexierens.“ (Gottfried Hammann).

Neben der Vorordnung der Exegese vor die Dogmatik – ein typisches Kennzeichen des späteren Pietismus, aber auch der Aufklärung – war auch die Praxis und die Ethik wichtiger als eine ‚saubere‘ Dogmatik:

„Bucer war an Verkündigung und Ethik mehr gelegen als an widerspruchsfreier Lehre. Sein Herz schlägt bei der Schriftauslegung, in der er außerordentlichen Gedanken-reichtum entfaltet.“ (Werner Neuser)

Das Martin Bucer Seminar und die Prädestinationslehre

Gemeinsam mit den Reformatoren, den reformatorischen Bekenntnissen und reformatorischen Kirchen und Bewegungen, wie sie auch am Beginn vieler europäischer Freikirchen wie den Baptisten oder Freien Evangelischen Gemeinden stehen, glauben wir an die Allmacht und Souveränität Gottes in allen Fragen der Schöpfung, der Heilsgeschichte und des Heils. Wir glauben auch, dass es der Heilige Geist ist, der Menschen die Erkenntnis Gottes und seiner Offenbarung schenkt, so dass es ohne Pfingsten keine Gemeinde geben würde. Diese Sicht wird oft mit dem Begriff „Prädestination“ verbunden. 

Immer wieder werden wir deswegen von Christen, die mit dem Begriff Prädestination eher Fehlentwicklungen verbinden, gefragt, wie das Martin Bucer Seminar zur Prädestinationslehre steht. Hier ist unsere Reaktion darauf.

·        Bei uns unterrichten Dozenten aus ganz unterschiedlichen Kirchen, landes- wie freikirchlichen. Darunter sind in der Prädestinationsfrage eher reformiert Denkende ebenso wie Christen anderer Prägung.

·        Unsere Studenten unterzeichnen kein Glaubensbekenntnis. Bei den Aufnahmegesprächen weisen wir drauf hin, dass nur eines ein Studium bei uns sehr schwierig macht, nämlich wenn ein Student konstant bestimmte Dinge, die gelehrt werden, oder bestimmte Gemeinderichtungen, zu denen Dozenten und Studenten gehören, als Irrlehre bezeichnet und dagegen protestiert. Das macht die Zusammenarbeit fast unmöglich. Das gilt aber nicht für eine gründliche Diskussion der damit verbundenen Fragen mit der Bibel in der Hand.

·        Unser Seminar lebt von einem sehr offenen Gespräch der Studenten und der Dozenten untereinander und miteinander gerade über solche Fragen, die innerhalb der evangelikalen Bewegung unterschiedlich beantwortet werden. Keiner muss Angst haben, bei uns ‚überfahren‘ zu werden.

·        Bei uns geht die Auslegung der Schrift, also Exegese und Hermeneutik, der dogmatischen Lehre voraus. Das wird unten näher ausgeführt.

·        Sie können sich gerne bei Gemeinden erkundigen, in denen unsere Absolventen arbeiten, dass diese keine Streitthemen oder Spaltung verbreiten. Unser Interesse ist wirklich nicht, Spaltgeister auszubilden, sondern Christen, die gelernt haben, mit der Bibel in der Hand und im Vertrauen auf den Heiligen Geist die Einheit mit anderen Christen zu suchen.

·        Übrigens zeigt auch unsere Konzentration auf Weltmission und die großen Fragen der Weltchristenheit – etwa ökumenischer Ethikkodex für Mission, Christenverfolgung oder die Herausforderung des Islam –, dass wir zwar überzeugt sind, dass nur der Heilige Geist seine Gemeinde weltweit ausbreiten kann, wir dabei aber die volle Verantwortung haben, unseren Beitrag zu leisten.

 

Der gesamte Text zur theologischen Ausrichtung des MBS mit zwei Anhängen (Textauszug 1: Komplementarität; Textauszug 2: Pfingsten – Wir sind beteiligt – nicht trotz, sondern wegen des Heiligen Geistes) kann als pdf downgeloadet werden.