Bonner Querschnitte 04/2010 Ausgabe 126

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Fundamentalismus ist (nur) militanter Wahrheitsanspruch

Religionssoziologe fordert eine neue Diskussion über ein Unwort

(Bonn, 08.02.2010) Der in Bonn ansässige Theologe und Religionssoziologe („Hitlers Kriegsreligion“) Thomas Schirrmacher fordert in seinem soeben erschienen Buch „Fundamentalismus: Wenn Religion zur Gefahr wird“ eine breite Diskussion über den Fundamentalismusbegriff. „Man sollte nämlich“, so Schirrmacher wörtlich, „nur von Fundamentalismus sprechen, wenn Gewalt im Spiel ist oder eine echte Gefahr für die innere Sicherheit besteht.“ Würde man einfach alle Menschen als Fundamentalisten bezeichnen, die glaubten, die Wahrheit zu kennen, gäbe es auf dieser Welt mehr Fundamentalisten als andere. Es ginge nicht an, dass insbesondere die Medien recht wahllos Andersdenkende als Fundamentalisten beschimpften und nie über ihre Definition Rechenschaft ablegen müssten.

Als „Fundamentalisten“ werden, meint Schirrmacher, seit den Anschlägen vom 11. September 2001 in der Öffentlichkeit meist einfach radikale, gewaltbereite, religiös motivierte Extremisten oder einfach gar religiöse Terroristen verstanden. „Was der Volksmund mit ‚Fundamentalismus‘ meint, ist militanter Wahrheitsanspruch und genau das finde ich die kürzeste Definition.“

An vielen Beispielen aus allen großen Religionen versucht Schirrmacher aufzuzeigen, wie sinnlos es ist, Fundamentalismus am Verständnis der Heiligen Schriften festzumachen. Das sei eine Engführung auf den Protestantismus. Schon der Katholizismus kenne nicht die Schrift als oberstes Prinzip, sondern das Lehramt, und viele Religionen hätte gar keine maßgebenden Heiligen Schriften, aber durchaus fundamentalistische Bewegungen, wie der politische Hinduismus in Indien, der Indien von Muslimen und Christen befreien wolle.

Rezension von Frank Hinkelmann (zum freien Abdruck)

In nur zwei Stunden wissen Sie Bescheid – mit diesem Anspruch bewirbt der Verlag das in der Reihe Hänssler kurz und bündig soeben erschienene Buch aus der Feder des Religionssoziologen Prof. Dr. Thomas Schirrmacher. Er widmet sich dabei einem Thema, das uns fast täglich in den Medien schlagwortmäßig entgegentritt: religiöser Fundamentalismus – in der Regel mit einer negativen Konnotation verbunden.

Der Autor geht eingangs auf die Entstehung des Begriffs Fundamentalismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein und zeigt auf, dass es historisch fünf Phasen des Sprachgebrauchs bis heute gegeben hat. Hieran schließt sich seine eigene Definition des Begriffs Fundamentalismus an, die er als „militanter Wahrheitsanspruch“ zusammenfasst (vgl. S. 15). Beispiele eines solch verstandenen Fundamentalismus folgen, bevor Schirrmacher das Problemfeld des missbräuchlichen Gebrauchs des Fundamentalismusbegriffs in Thesenform prägnant anspricht.

Im zweiten Teil des Buches wendet sich der Autor abschließend der problematischen Grundsatzfrage Schrift contra Moderne im Rahmen der Begriffsdefinition zu. Es wird deutlich, dass Fundamentalismus nicht am Umgang mit einer autoritativen Schrift festzumachen ist, sondern an der Frage der letzten Instanz. Kenntnisreich diskutiert der Autor an dieser Stelle auch den vielschichtigen Begriff der Moderne. Ein ausführliches Literaturverzeichnis rundet das Buch ab. Und tatsächlich: Man kann das Buch in zwei Stunden lesen. Ein ausgezeichneter und wohltuend sachlicher Beitrag, dem weiteste Verbreitung zu wünschen ist und der gut an Menschen weitergegeben werden kann, die Christen mit dem Fundamentalismusvorwurf konfrontieren.

Drs. Frank Hinkelmann, Vorsitzender der Österreichischen Evangelischen Allianz

 

Bibliografische Angaben:

Thomas Schirrmacher. Fundamentalismus – Wenn Religion zur Gefahr wird. SCM Hänssler: Holzgerlingen, 2010. ISBN 978-3-7751-5203-7. Kartoniert 128 S.

Lieferbar über den örtlichen Buchhandel oder online über Opens external link in new windowwww.geniale-buecher.de.

Downloads:

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  • Werbeseite aus der Vorschau von SCM Hänssler (als Initiates file downloadjpg)
  • Vorabauszug (als Initiates file downloadpdf)

Dokumente

BQ0126_01.pdf