Bonner Querschnitte 06/2014 Ausgabe 292

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Malatya-Prozess gefährdet

Kommt ein neues Gericht und kommen die Hauptangeklagten bis auf Weiteres frei?

(Bonn, 01.03.2014) Der Prozess gegen die Mörder an drei Christen im osttürkischen Malatya steht vor großen Problemen. Die Anwälte der mittlerweile 21 Angeklagten beantragten beim letzten Prozesstag vor wenigen Tagen die Verschiebung der Plädoyers der Staatsanwaltschaft. Der Richter bestand aber auf der Fortsetzung des Prozesses, so dass der Staatsanwalt seine zusammenfassenden Plädoyers halten konnte. Die ausführliche Fassung wurde Augenzeugen zu Folge auf CD verteilt. Nach Aussage des Richters hätten die Angeklagten danach ein letztes Mal Gelegenheit, sich zu verteidigen.

Hintergrund ist eine geplante Gesetzesänderung. Aktuell führt ein „Gericht mit Sondervollmacht“ den Malatya-Prozess. Solche Sondergerichte sollen aber mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft abgeschafft werden. Das würde bedeuten, dass der Mordprozess in Malatya einem anderen Gericht übertragen werden müsste. Neue Juristen müssten dann über 100.000 Seiten Akten durcharbeiten, womit der ohnehin schon lange laufende Prozess erneut stark in die Länge gezogen würde.

Würde dagegen das alte Gericht weiter zuständig bleiben, könnte der Prozess unter Umständen noch vor dem Sommer zu Ende gehen, vermutet Susanne Geske, die Witwe eines der Opfer. Sie lebt nach wie vor mit ihrer Familie in Malatya.

Wie BQ auch aus anderer Quelle in der Türkei erfuhr, ist eine weitere Gesetzesänderung in Planung, die deutliche Auswirkungen auf diesen Prozess haben könnte: Die aktuelle Grenze von maximal siebeneinhalb Jahren Untersuchungshaft soll auf fünf Jahre begrenzt werden. Da die Tat bereits im April 2007 geschah, würde dies wahrscheinlich eine sofortige Freilassung der seinerzeit noch am Tatort festgenommenen Hauptangeklagten zur Folge haben, womit die mutmaßlichen Täter bis zur Verurteilung auf freiem Fuß wären. Wegen der Höhe der zu erwartenden Strafe im Malatya-Prozess ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Angeklagten nach ihrer Freilassung fliehen werden. Besonders bei den Angehörigen der Mordopfer ruft diese Möglichkeit starkes Befremden hervor.

Die „Vereinigung Protestantischer Kirchen“ (die Evangelische Allianz) in der Türkei stellt die Begleichung der Unkosten für das Anwaltsteam der Hinterbliebenen sicher. Sie ist dabei maßgeblich auf Spenden angewiesen, da die eigenen Mittel nicht ausreichen. Von Deutschland aus kann man mit dem Kennwort „Märtyrer Malatya“ an das Konto des Martin Bucer Seminars e.V. (IBAN DE02520604100003690334, BIC GENODEF1EK1) spenden. Das Geld wird in voller Höhe in die Türkei weitergeleitet.

 

Weitere Informationen zur aktuellen Menschenrechtssituation der Christen in der Türkei finden sich im kürzlich von der Vereinigung Protestantischer Kirchen veröffentlichen Jahresbericht 2013 (siehe dazu Opens external link in new windowBQ 288, 02/2014).

 

Downloads:

·        Initiates file downloadFoto: Die drei Märtyrer von Malatya, von links: Tilmann Geske, U?ur Yüksel, Necati Ayd?n

·        Bericht über Menschenrechtsverstöße 2013 (Initiates file downloadpdf)

Dokumente

BQ0292.pdf