Bonner Querschnitte 07/2014 Ausgabe 293

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Malatya-Mörder freigelassen

(Bonn, 08.03.2014) Vergangene Nacht wurden die fünf Hauptangeklagten im Malayta-Mordprozess freigelassen. Eine aktuelle Gesetzesänderung sieht maximal fünf Jahre Untersuchungshaft vor. Da die Morde von Malatya jetzt fast sieben Jahre zurückliegen, wurden die Täter auf freien Fuß gesetzt. Damit ist eingetreten, was vor einer Woche gerade auch von den Hinterbliebenen der Morde befürchtet wurde. (Details dazu finden sich in Opens external link in new windowBQ 292 – Nr. 06/2014).

Im Zuge der Gesetzesänderungen wurden auch alle Sondergerichte abgeschafft. Wie es infolgedessen mit dem Malatya-Mordprozess weitergeht, ist zur Stunde nach Auskunft von Umut Sahin, dem Generalsekretär der Vereinigung Protestantische Kirchen (Türkei), noch unklar. Prinzipiell möglich wäre wohl, dass der bisherige Richter zum Richter eines normalen Gerichtes bestellt wird, welches dann den Prozess zeitnah zu Ende bringen könnte. Das wäre besonders aus Sicht der Hinterbliebenen sehr wünschenswert. Zugleich gibt es die Befürchtung, dass die Chance dafür „eher gegen Null tendiert“, wie einer der Hinterbliebenen BQ gegenüber äußerte, da man anzweifeln könne, ob die entsprechenden Verantwortlichen wirklich „an einer echten Aufarbeitung und am Abschluss des Prozesses interessiert“ seien.

 

Wir bieten Ihnen hier die deutsche Übersetzung einer aktuellen Presseerklärung der Vereinigung Protestantischer Kirchen (Türkei) vom heutigen Tag an. Diese Presseerklärung wurde heute u.a. in der Tageszeitung Opens external link in new windowRadikal veröffentlicht.

Presseerklärung der Vereinigung Protestantischer Kirchen

Der 18. April 2007 ist für die in der Türkei lebenden protestantischen Christen ein sehr schwerer Tag gewesen. An jenem Tag wurden die Mitarbeiter des Zirve-Verlags Necati Ayd?n und U?ur Yüksel sowie der Deutsche Tilman Geske, nur weil sie Christen waren, von fünf jungen Männern unter schwerer Folter und letztlich durch Aufschneiden der Halsschlagadern grausam ermordet.

Die gesetzliche Neuregelung in Bezug auf die Freilassung von Angeklagten, deren Haftzeit fünf Jahre überschreitet, ist zur Ursache einer fürchterlichen Ungerechtigkeit geworden. Die nach dem Massaker im Zirve-Verlag vom 18. April 2007 seit 7 Jahren inhaftierten und vor Gericht stehenden fünf des Mordes angeklagten Männer, wurden aufgrund dieser Neuregelung gestern Nacht freigelassen. Im bei der letzten Verhandlung vom Staatsanwalt vorgetragenen Plädoyer hatte er für die Mordangeklagten vier mal erschwerte lebenslängliche Haft gefordert. Die jetzt freigelassenen Mordangeklagten hatten während des Prozessverlaufs mehrfach die Familien der Toten, Aktivisten von Menschenrechtsorganisationen, Pressevertreter und Anwälte in schwerster Form bedroht. Dadurch sind die Bedrohten nun in großer Spannung.

Die Freilassungen haben bei den Christen zu großem Bedauern und zum Verlust des Glaubens an die staatliche Gerechtigkeit geführt.

Seit 7 Jahren hat nicht nur die türkische Öffentlichkeit, sondern die Weltöffentlichkeit den Abschluss dieses Prozesses mit großer Geduld erwartet. Die Bemühungen der Anwälte, die sich seit Beginn des Prozesses mit großer Opferbereitschaft für die Gerechtigkeit eingesetzt haben, und der Menschenrechtsorganisationen sind mit einem Schlag zunichtegemacht worden. Durch diese Freilassungen hat der Prozess einen schrecklichen Rückschlag erlitten. Nicht nur die Christen, sondern alle Türken, die auf ihr Gewissen hören, haben erwartet, dass in diesem Prozess Gerechtigkeit geübt wird. Daher hat nun das Gewissen der Türkei Schaden erlitten. Die Mordverdächtigen können sich plötzlich ungehindert in der Gesellschaft bewegen. Wer wird die moralische Verantwortung für diese entsetzliche Entscheidung tragen? Was noch wichtiger ist: Wer wird den hohen Preis für die sehr wahrscheinlichen neuen Taten der Mordverdächtigen zahlen?

Als Christen der Türkei haben wir die Entscheidung für die Freilassung mit großem Schmerz wahrgenommen. Man kann es vielleicht ertragen, dass die Gerechtigkeit seit 7 Jahren verzögert wurde, aber welches Gewissen kann es ertragen, dass die Gerechtigkeit vernichtet wird? Als christliche Staatsbürger sind unsere Sicherheit und die Sicherheit unserer Familie in großer Gefahr. Wir verfolgen die weiteren Entwicklungen mit großem Entsetzen.

Wir rufen die Regierung der Türkischen Republik, den Staat und alle Rechtsorgane angesichts dieser Bedrohung und Gefahr dazu auf, umgehend ihre Pflicht zu tun. Wir erwarten, dass sie gegen diese unsensible und ungerechte Entscheidung umgehend einschreiten.

Während dieser in unserem Land sehr bedrängenden Tage ist es unser flehender Ruf, dass die Gerechtigkeit zum Zuge kommen möge. Wir erklären hiermit vor der Presse und der Öffentlichkeit, dass wir uns unermüdlich weiter dafür einsetzen werden, dass die Gerechtigkeit zum Zuge kommt. 

 

Links und Downloads:

·        Türkisches Original der Presserklärung: Opens external link in new windowhttp://haber.sat7turk.com/protestan-kiliseler-bu-tahliye-hiristiyanlar-arasinda-buyuk-bir-uzuntu-ve-adalete-inancin-yitirilmesi-etkisi-yaratmistir

·        Veröffentlichung der Presserklärung in der Zeitung Radikal: Opens external link in new windowhttp://www.radikal.com.tr/turkiye/protestan_kiliseler_derneginden_zirve_tahliyelerine_tepki-1180179

Dokumente

BQ0293.pdf