Bonner Querschnitte 19/2010 Ausgabe 141

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Justinian von Welz: Lutherischer Vordenker der Mission aus Ã?sterreich

Interview mit dem Vorsitzenden der Österreichischen Evangelischen Allianz Drs. Frank Hinkelmann

(Bonn, 19.07.2010) Die erhaltenen Schriften von Justinian von Welz wurden 1989 von Fritz Laubach erstmals vollständig in einem Band herausgegeben. Dieser Band war seit etwa einem Jahrzehnt vergriffen. Nun wurde dieser Band auf Initiative von Frank Hinkelmann nachgedruckt. BQ sprach mit ihm.

 

BQ: Was war das Besondere an Justinian von Welz?

Hinkelmann: Er erkannte die Wichtigkeit der Mission. Dabei waren ihm die Schwierigkeiten von Weltmission bewusst, und er entwickelte ein Konzept für eine aus der deutschen Heimat unterstützte Missionstätigkeit. Als er 1663/64 seine Vorschläge veröffentlichte, fand er jedoch bei lutherischen Fürsten und Theologen kaum Unterstützung.

 

BQ: Warum nicht? Eigentlich würde man doch erwarten, dass im Land der Reformation, etwa anderthalb Jahrhunderte nach dem Auftreten von Martin Luther, die Mission ein starkes Anliegen war?

Hinkelmann: Fakt ist, dass über lange Zeit hinweg gerade die lutherischen Theologen ablehnend waren. Zum Hauptgegner von Justinian erhob sich der Superintendent Johann Heinrich Ursinus, ein einflussreicher Vertreter der lutherischen Orthodoxie.

 

BQ: Wie argumentierte Ursinus?

Hinkelmann: Er meinte, dass der Missionsbefehl speziell den Aposteln galt und dass dieser Befehl ohnehin schon ausgeführt sei – es gab ja Christen in allen Kontinenten. Wer also Interesse am Evangelium hatte, könnte dieses ohnehin kennenlernen …

 

BQ: Engagierten sich andere Konfessionen früher in der Weltmission?

Hinkelmann: Ja, aber dafür gab es auch politische Gründe. Aus einigen Ländern gab es koloniale Unternehmungen: Aus dem katholischen Portugal und Spanien, aus den reformierten Niederlanden und aus dem anglikanischen England. Mit dem Einverständnis der jeweiligen Kolonialherren war es leichter, eine Missionstätigkeit in den Kolonien aufzubauen.

 

BQ: Der Untertitel weist darauf hin, dass Justinian ein Österreicher war. Aber Österreich war damals streng katholisch …

Hinkelmann: Justinian wurde 1621 als Kind adeliger Vorfahren in der Steiermark geboren, als bereits Ferdinand II. Kaiser war, der radikalste Gegenreformator. 1628 musste Justinians Familie Österreich verlassen und ging nach Deutschland. Justinian wuchs in Ulm auf und studierte später in den Niederlanden, wo er 1641 sein erstes Buch veröffentlichte: Gegen die Tyrannei.

 

BQ: Die Vorfahren von Justinian waren also Österreicher und seine Kindheit verbrachte er dort. Kehrte er später nach Österreich zurück?

Hinkelmann: Wahrscheinlich nicht. Aber wir wissen über die beiden mittleren Jahrzehnte seines Lebens nicht, wo er lebte. 1663/64 veröffentlichte er seine weiteren Schriften – in Ulm, Nürnberg, Schaffhausen und in Amsterdam. Vielleicht hatte er an diesen Orten Kontakte aufgrund früherer Aufenthalte.

 

BQ: Können wir aus seinen Schriften 1663/64 etwas darüber ableiten, was er davor tat?

Hinkelmann: Ja, in den beiden Jahrzehnten davor scheint viel passiert zu sein: Er bekehrte sich und befasste sich intensiv mit der Bibel, außerdem mit Klassikern und Kirchenvätern. In seinen Schriften zeigt sich davon eine gute Kenntnis.

 

BQ: Worin zeigte sich seine Bekehrung?

Hinkelmann: Darin, dass ihm die Mission sehr wichtig wurde, trotz der Ablehnung, mit der er konfrontiert wurde. Seinen Status als Adeliger legte er bewusst ab. In seiner letzten Schrift (Verläugnung sein selbst) berichtet er von seiner Entwicklung, auch seiner Umkehr. Seine Frömmigkeit ist jesus-zentriert. Er bringt am Ende folgendes Gedicht:

Jesus, Jesus ist mein Leben,
Jesus wendet alles Leid.
Jesus, Jesus wird mir geben
Herzensstärk’ und Freudigkeit.
Jesus sing ich für und für,
Weil denn Jesus wohnt in mir.

 

BQ: Wie viel publizierte Justinian?

Hinkelmann: Fritz Laubach sammelte alles noch Erhaltene und publizierte es in diesem einen Band. Die etwa zehn Schriften umfassen miteinander knapp 300 Seiten. Es handelt sich also eher um dünnere Schriften, im Umfang von Broschüren.

 

BQ: Wie sahen Justinians Konzepte zur Weltmission aus?

Hinkelmann: Justinian sah deutlich, dass Missionsarbeit nicht einfach die Initiative einzelner engagierter Ausreisewilliger ist, sondern dass dazu eine breite Basis in der Heimat nötig ist. In jeder größeren Stadt Deutschlands sollte ein Kaufmann (als Mitglied der Gesellschaft) für ein- und ausgehende Gelder zuständig sein, mit jährlicher Abrechnung. Die Missionsgesellschaft sollte also viele fördernde Mitglieder haben, und sich gut organisiert über viele Orte erstrecken. Der Brennpunkt der internationalen Arbeit sollte Amsterdam werden. Am Beginn dachte Justinian eher an ledige Kurzzeitmissionare, die Kultur und Sprache erkunden sollten. Auch wenn Justinians Konzept im deutschsprachigen Raum vorerst auf wenig Widerhall stieß, so nahm die englische SPCK Vieles aus seinem Konzept auf und prägte in weiterer Folge auch Zinzendorf und die Brüdergemeine. Wir erkennen also durchaus eine weitreichende Wirkungsgeschichte der konzeptionellen Arbeit Justinians.

 

BQ: War Justinian gewissermaßen ein Schreibtisch-Missionar?

Hinkelmann: Er blieb nicht dabei stehen. Er verließ die Niederlande und versuchte in Niederländisch-Guyana (= Surinam) in Südamerika zu missionieren, wo er etwa seit 1668 verschollen ist, angeblich von wilden Tieren getötet.

 

BQ: Für wen wäre dieses Buch wichtig?

Hinkelmann: Wenn eine Bibliothek Laubachs Band von 1989 bereits besitzt, braucht sie diesen Nachdruck nicht. Für die Kirchengeschichte, insbesondere die Missionsgeschichte sind die Schriften Justinians ein wichtiges Dokument. Justinian ging in die Geschichte ein – als ein von Gott bewegter Mensch.

 

Bibliografische Angaben:

Fritz Laubach (Hg.). Justinian von Welz. Ein Österreicher als Vordenker und Pionier der Weltmission. Sämtliche Schriften. Studien zur Geschichte christlicher Bewegungen reformatorischer Tradition in Österreich, Bd. 4. Pb. II+319 S. Bonn: VKW, 2010. € 29,-

 

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Dokumente

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