Bonner Querschnitte 47/2014 Ausgabe 333

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Meine Erfahrungen als Vertreter der WEA bei der Vollversammlung des Ã?RK in Busan 2013

Ein Kommentar von Thomas Schirrmacher

(Bonn, 16.12.2014)

Kooperation

Das Bemühen des Ökumenischen Rates der Kirchen, der evangelikalen Bewegung nicht feindlich, sondern freundlich zu begegnen, und ihre Sichtweise überall zu erfragen und einzubeziehen, war auf der Vollversammlung in Busan überdeutlich. Sie kam auch darin zum Ausdruck, dass Vertreter der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA) in verschiedenen Kommissionen mitarbeiten und dort gegebenenfalls auch ihre Bedenken ungehindert darlegen konnten.

So gehörte Rolf Hille als Vertreter der WEA dem Programmkomitee an. Ein Mitglied der Missionskommission der WEA ist Mitglied der Kommission für Weltmission und Evangelisation (CWME) des ÖRK. Ich selbst wurde als Mitglied des Ausschusses für öffentliche Fragen berufen, der die Erklärungen der Vollversammlung erarbeitete, und von dort als Vorsitzender des Komitees eingesetzt, dass die Erklärung gegen religiöse Gewalt, für Religionsfreiheit und auch gegen Christenverfolgung verfasst hat, die die Vollversammlung dann verabschiedet hat.

Beeindruckend war, wie herzlich wir in Busan aufgenommen wurden und wie viel Raum wir bekamen, unsere gemeinsamen, wie auch unsere abweichenden Positionen darzustellen. Wir hatten durch eigene Workshops, Kurzvorträge in Workshops, viele Wortmeldungen und Mitarbeit in Kommissionen völlig frei die Möglichkeit, unsere Sicht der Dinge einzubringen, meist mit breiter Zustimmung der Delegierten und Mitgliedskirchen des ÖRK. Wir hatten sogar zwei Veranstaltungen im offiziellen Programm, in denen die WEA-Repräsentanten ihre Linie abstimmen konnten. Außerdem stand uns eine riesige Standfläche für den viel frequentierten Stand des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit zur Verfügung, an dem Joseph Yakubu und Christof Sauer täglich 10 Stunden mit insgesamt über 1000 Delegierten sprachen.

Die WEA hat deutlich gemacht, dass sie dem ÖRK dankbar für die ausgestreckte Hand ist, die es ermöglicht, unsere Sicht überall einzubringen. Sie sieht, dass die Zusammenarbeit im Global Christian Forum, im Forum der Secretary of Christian World Communions und im fünfjährigen Prozess, der zum gemeinsamen Dokument von Vatikan, ÖRK und WEA „Christliches Zeugnis in einer multireligiösen Welt“ führte, und bei gemeinsamen Aktionen für Menschenrechte usw. Früchte tragen.

Als Vorsitzender des Unterausschusses zur Religionsfreiheit erlebte ich also das Entstehen der Erklärung gegen religiöse Gewalt der Vollversammlung aus nächster Nähe, vor allem in Zusammenarbeit mit orientalischen Bischöfen aus der islamischen Welt. Es wurde sehr deutlich, dass der Einsatz der WEA für verfolgte Kirchen auch die ökumenischen Beziehungen verändert und uns Evangelikalen gerade auch mit solchen Mitgliedskirchen des ÖRK zusammenbringt, die früher außerhalb unseres Interesses lagen. Dass ich im ablaufenden Jahr zahlreiche Patriarchen östlicher Kirchen samt des koptischen Papstes traf (ebenso wie die Leiter der meisten evangelischen weltweiten Zusammenschlüsse, etliche Kardinäle und den Papst), liegt da auf einer Linie. Die vielen positiven Reaktionen auf meine Plenarrede in Busan zeigten mir, dass die weltweite kirchlich-konfessionelle Landschaft Verschiebungen wie seit einem halben Jahrhundert nicht mehr erlebt.

Missionspapier

Im Ergebnis sind die auf der Vollversammlung verabschiedeten Texte durchweg für die WEA nicht zu beanstanden oder unterstützenswert.

Im Missionspapier des ÖRK bzw. seiner Missionskommission (CWME) „Together Towards Life: Mission and Evangelism in Changing Landscapes“, das bereits ein Jahr vor der Vollversammlung vom Zentralkomitee des ÖRK am 5.9.2012 verabschiedet worden war und von einigen Evangelikalen in Deutschland heftig kritisiert wurde, ist unsere Sicht der Mission in einigen von der WEA bzw. evangelikalen Theologen mit formulierten Paragrafen zur verbalen Weitergabe des Evangeliums präsent, auch wenn das lange Dokument daneben viele richtige Ziele für unser Handeln auflistet, die wir zwar prinzipiell teilen, die wir aber nicht unbedingt unter dem Stichwort ‚Mission‘ angeführt hätten, sondern allgemein als das, was gerecht und gut für die Welt ist. Diese Ziele entsprechen über weite Strecken der Kapstädter Erklärung, die von der Theologischen Kommission der WEA mit verfasst wurde. Bedauerlich war, dass das Plenum zur Mission und zum Missionspapier recht einseitig nur bestimmte Aspekte des Papiers betonte, nicht aber den holistischen Ansatz. Die Aussage eines katholischen Referenten, der Heilige Geist sei der Ursprung aller Religionen, war denn aber nicht repräsentativ, wie die Reaktionen zeigten. Dass er sich dafür ausgerechnet auf Papst Benedikt XVI. berief, entbehrte nicht einer gewissen Komik.

Synkretismus

Auffällig war, dass traditionell von uns kritisch gesehene Elemente der Vollversammlungen des ÖRK diesmal praktisch völlig fehlten. So fanden keine nichtchristlichen religiösen Riten im offiziellen Programm statt. Also wurde auch in den Plenarveranstaltungen kein einziges Mal – wie früher üblich – Zeremonien anderer Religionen vollzogen. Es gab nur vereinzelte kurze Grußworte von Vertretern anderer Religionen, etwas länger sprach nur der jüdische Vertreter, was ja aber sowieso auf einer anderen Ebene liegt.

Homosexualität

Offensichtlich ist, dass der Ökumenische Rat der Kirchen zunehmend zu Themen schweigt, die unter den Kirchen umstritten sind. So kam das für die ökumenischen Beziehungen weltweit brandgefährliche Thema Homosexualität praktisch nicht vor, wenn man von dem deutlichen Statement des russisch-orthodoxen Metropoliten Hilarion vor der geschlossenen Geschäftssitzung und von einigen Ständen in der Ausstellung einmal absieht. Dass sich der ÖRK und seine Leitung trotz wiederholter Anfrage weigerte, irgendeine positive Stellungnahme zur Homosexualität abzugeben, verärgerte manche Mitgliedskirchen und angereiste Lobbygruppen sehr, wurde aber trotzdem von allen Beteiligten erfolgreich durchgehalten.

Demonstranten

Die WEA distanzierte sich bewusst von den plakativen Aktionen und Äußerungen einiger extremer evangelikaler Gruppen außerhalb der Vollversammlung und führte die Diskussionen mit dem ÖRK im direkten Gespräch, nicht über die Medien.

Ich habe mich namens der WEA und ihres Generalsekretärs in Busan von den Demonstranten deutlich distanziert. Nicht einzelne Protestierer hatten jedes Maß verloren, sondern alle, weswegen sie auch nur einen Bruchteil der Evangelikalen in Korea repräsentierten. „Tod dem Weltkirchenrat“ stand auf vielen Plakaten, der Generalsekretär des ÖRK (wie ich auch) wurde als Antichrist verleumdet, übelste Beschimpfungen wurden ausgesprochen, auf dem Gelände der Vollversammlung waren oft störend laut die Megaphone zu hören. Polizeieinsatz zur Entfernung von Eindringlingen, die widerwärtige Flugblätter verteilten, das Verschmieren von Exkrementen auf die Bühne während eines laufenden Gottesdienst in der Kirche des Vorsitzenden des Host-Komitees, in Korea noch unvergleichlich viel schambesetzter als bei uns: Das alles hat nichts mit theologischer Auseinandersetzung zu tun, sondern mit Politik und fast schon Gewalt, und hat nichts mit dem zu tun, wie die WEA theologische Differenzen diskutieren möchte.

Auch die drei inhaltlichen Hauptwürfe der Demonstranten liefen ins Leere.

1.      Der Vorwurf des Synkretismus der Demonstranten an den ÖRK wurde durch die Generalversammlung selbst widerlegt, in der – wie gesagt – im offiziellen Programm, vor allem in den Plenarveranstaltungen, nicht ein einziges Mal – wie früher üblich – Zeremonien anderer Religionen vollzogen wurden. Diese und manch andere deutliche Verbesserungen hätten erwähnt werden müssen.

2.      Der Vorwurf, öffentlich für Homosexualität einzutreten, entsprach – wie wir gesehen haben – ebenfalls nicht der Wahrheit. Die Demonstranten mussten doch wissen, dass zum Weltkirchenrat ebenso Kirchen gehören, die für Homosexualität eintreten, als auch solche – etwa orthodoxe oder evangelikale – Mitgliedskirchen, die Homosexualität für nicht mit dem Willen Gottes vereinbar halten.

3.      Der Vorwurf an den ÖRK, den Kommunismus zu fördern und zu vertreten und der Vorwurf der Steuerung durch kommunistische Länder und Geheimdienste stammt aus der Zeit des Kalten Krieges, der in Korea noch anhält, hat aber nichts mit dem realen ÖRK der Gegenwart zu tun.

 

Downloads:

·        Plenarrede von Thomas Schirrmacher (Initiates file downloaddoc)

·        Initiates file downloadFoto 1: Plenarrede von Thomas Schirrmacher

·        Initiates file downloadFoto 2: Plenarrede von Thomas Schirrmacher

·        Initiates file downloadFoto 3: Pressekonferenz der WEA in Busan, am Pult der Direktor des CWME des O?RK

·        Initiates file downloadFoto 4: Nach der Plenarrede, 3. von links Kardinal Koch

Dokumente

BQ0333.pdf