Bonner Querschnitte 01/2012 Ausgabe 195

Zurück

Theologische Leistung der Bibelübersetzer würdigen

(Bonn, 25.01.2012) Der Arbeitskreis für evangelikale Missiologie e. V. (afem), der im Rahmen der Deutschen, Schweizer und Österreichischen Allianz Missionswissenschaftler und Missionsforscher zusammenführt, hat das Wirken der Wycliffe-Bibelübersetzer und von Bibelübersetzern überhaupt gewürdigt. Der Vorsitzende des afem, Prof. Dr. Thomas Schirrmacher, betonte, dass Bibelübersetzer weltweit eine gewaltige theologische Leistungen vollbracht hätten und vollbringen würden, die die Theologenzunft weitgehend ignoriere. Zudem seien daran immer stärker einheimische Christen selbst beteiligt. Die Bibel in eine neue Sprache und Kultur zu transportieren, erfordere nicht nur große sprachwissenschaftliche (und heute auch computermäßige) Kenntnisse, sondern auch theologisches Können und große Feinfühligkeit. Dies müsse die Theologiegeschichte eigentlich nicht nur für die frühen Jahrhunderte des Christentums, sondern auch für Gegenwart würdigen.

Aus Anlass seiner Jahrestagung im Forum Wiedenest und seiner jährlichen Preisverleihungsfeier hatte der afem die pensionierte Sprachwissenschaftlerin und Bibelübersetzerin Prof. Dr. Ursula Wiesemann als Ehrengast zur Preisverleihungsfeier geladen und interviewt. Ihr wurde in Anerkennung ihres Lebenswerkes von 55 Jahren Mitarbeit bei den Wycliffe-Bibelübersetzern eine Chagall-Bibel überreicht. Der afem hatte Wiesemann bereits 2007 mit der Festschrift „Mission als Kommunikation“ zum 75. Geburtstag geehrt. Ihr besonderer Schwerpunkt war die Verschriftlichung von Sprachen. Wiesemann habe, so betonte Schirrmacher, damit zum Erhalt mehrerer Sprachen und Kulturen in Lateinamerika und Afrika beigetragen, die nach Ansicht von Fachleuten sonst von der Mehrheitskultur aufgesogen worden wären. Am bekanntesten ist das Beispiel der Kaingang-Indianer in Brasilien. Wiesemann schuf aus den ungezählten Dialekten der Dörfer und Gruppen in ganz Brasilien eine Schriftsprache, die durch die Bibelübersetzung in Kaingang zur Standardsprache wurde, wodurch erst ein Zusammenhalt der verschiedenen Gruppen möglich wurde. Dies, so Schirrmacher, sei eine Parallele zu den Folgen der Bibelübersetzung Martin Luthers.

Der vom afem jährlich verliehene George-W.-Peters-Preis für eine besondere Leistung zur Förderung der Missionswissenschaft wurde 2012 dem Sprachwissenschaftler und Theologen Eberhard Werner (Burbach/Westerwald) für seine an der Universität Wales eingereichte und im J. Kovac-Verlag veröffentlichte Dissertation „Bibelübersetzung in Theorie und Praxis: Eine Darstellung ihrer Interdisziplinarität anhand der Ausbildungspraxis“ verliehen. Werner fand dabei durch eine weltweite Umfrage unter Bibelübersetzern heraus, dass Bibelübersetzer meistens ein Leben lang ausschließlich die Übersetzungsmethode anwenden, die sie während ihrer Ausbildung kennengelernt haben. Daneben vergleicht er die wichtigsten Übersetzungsmethoden. Anschließend plädiert er dafür, in der Ausbildung die drei gängigsten Übersetzungsmethoden zu vermitteln, damit der Übersetzer später die für sein Tätigkeitsfeld Geeignetste anwenden kann. Werner ist Mitarbeiter des deutschen Zweiges der Wycliffe Bibelübersetzer (Burbach).

Den George-W.-Peters-Förderpreis 2012 erhielt der österreichische Theologe Martin Podobri (Linz) für seine im Verlag für Kultur und Wissenschaft veröffentlichte Abschlussarbeit am Institut für Theologie und Gemeindeaufbau, dem österreichischen Zweig des Martin Bucer Seminars. Mit der Arbeit unter dem Titel „Transformation in Österreich“ und einem gleichnamigen Seminar auf der Jahrestagung entfaltete er Grundlagen für eine ganzheitlich verstandene Missionsarbeit in Österreich für den freikirchlichen Bereich, die zahlreiche Tabus aufbrechen möchte.

Namensgeber des Preises ist Prof. Dr. George W. Peters (1907-1988). Der bekannte amerikanische Missionswissenschaftler wirkte in seinem Ruhestand 1978 bis 1987 in Deutschland und wurde Gründungsrektor der Freien Hochschule für Mission in Korntal (heute Akademie für Weltmission) und war ein Initiator des afem.

 

Als Alternative oder Hintergrundmaterial empfehlen wir auch den folgenden Artikel des idea-Pressedienstes vom 8.1.2012:

Erweckungsbewegungen in Islam und Hinduismus erleben Zulauf

Bergneustadt (idea) – Innerhalb des Islams bekehren sich Tausende von Menschen zu Jesus Christus, ohne dass sie den äußeren Rahmen ihrer Gemeinschaft verlassen. Eine ähnliche Entwicklung gebe es auch unter Hindus, sagte der Vorsitzende des Arbeitskreises für evangelikale Missiologie (AfeM), der Missionswissenschaftler Prof. Thomas Schirrmacher (Bonn), während der Jahrestagung der Vereinigung in Bergneustadt (Oberbergischer Kreis) gegenüber idea.

„Es ist schwer abzuschätzen, ob es sich dabei um eine begeisterte Schar von Neuchristen handelt – oder um eine Konsequenz aus der Verfolgungssituation“, so Schirrmacher. Angesichts des durch den islamischen Terrorismus offenkundigen Gewaltanspruchs hätten sich viele Muslime von ihrer Religion innerlich distanziert. Die Hinwendung zum Christentum läge ihnen aufgrund ihrer monotheistischen Herkunftsreligion näher als der Weg in den Atheismus. Die Führer der Erweckungsbewegungen in anderen Religionen seien häufig von den westlichen Formen des Christentums enttäuscht, weil sie ihre Freunde dafür nicht gewinnen könnten. Die Gläubigen der sogenannten „Insider Movements“ (Insider-Bewegungen) würden innerhalb des Islams weiter die Moschee besuchen und fünfmal am Tag beten, dann aber zu Jesus Christus. Unter Missionswissenschaftlern sei umstritten, ob diese Bewegungen eine Anpassung des christlichen Glaubens an die jeweilige Kultur darstellten, die ein Leben als Christ erleichterten oder erst ermöglichten, oder ob dabei zentrale Glaubensinhalte aufgegeben würden und man sie nicht mehr als Teil der christlichen Mission verstehen könne.

Offene missionswissenschaftliche Diskussionen fördern

Unter dem Thema „Der drei-eine Gott – Anstoß der Mission“ diskutierten die Teilnehmer der Jahrestagung über die Bedeutung der Trinitätslehre (der Lehre von dem drei-einen Gott) in der Mission unter Moslems. Die Frage, ob ein Moslem die Göttlichkeit von Jesus Christus vor seiner Bekehrung erfassen müsse oder ob Gott ihm diese Wahrheit auch später offenbaren könne, wurde dabei unterschiedlich beantwortet. An der Tagung nahmen 40 Missionstheologen und wissenschaftlich interessierte Missionare teil. „Wir wollen Christen zusammenführen, die Mission nicht nur tun, sondern darüber auch reflektieren“, so Schirrmacher. Nach seiner Auffassung bietet der Arbeitskreis mehr Möglichkeit zu kontroversen und offenen Diskussionen über missionswissenschaftliche Fragen als Veranstaltungen innerhalb der Missionswerke. Dem Arbeitskreis gehören etwa 200 Missionswissenschaftler und Mitarbeiter im deutschsprachigen Europa an. Er war 1985 als Reaktion auf Bestrebungen ökumenischer Missionstheologen ins Leben gerufen worden, die Verbreitung des christlichen Glaubens zugunsten entwicklungspolitischer Aktivitäten aufzugeben. Vierteljährlich gibt er die Fachzeitschrift „evangelikale missiologie“ in einer Auflage von 1.000 Exemplaren heraus.

Missionswissenschaftlicher Preis

Die AfeM vergab in Bergneustadt die George-W.-Peters-Preise 2012. Der mit 500 Euro dotierte Hauptpreis ging an den promovierten Sprachwissenschaftler und Theologen Eberhard Werner (Burbach/Westerwald) für seine an der Universität Wales eingereichte Dissertation „Bibelübersetzung in Theorie und Praxis“. Werner fand dabei heraus, dass Bibelübersetzer in der Praxis meistens die Übersetzungsmethode anwenden, die sie während ihrer Ausbildung erlernt haben. Er plädiert deshalb dafür, in der Ausbildung alle drei gängigen Übersetzungsmethoden zu vermitteln, damit der Übersetzer später die für sein Tätigkeitsfeld Geeignetste anwenden kann. Den mit 100 Euro dotierten Förderpreis erhielt der österreichische Theologe Martin Podobri (Linz) für seine Masterarbeit am Institut für Theologie und Gemeindeaufbau, dem österreichischen Zweig des Martin Bucer Seminars. Mit der Arbeit unter dem Titel „Transformation in Österreich“ entfaltete er Grundlagen für eine ganzheitlich verstandene Missionsarbeit in Österreich. Namensgeber des Preises ist der US-amerikanische Missionswissenschaftler Prof. George W. Peters (1907-1988). Er war von 1978 bis 1987 in Deutschland für die Weiterbildung von Missionaren tätig, Gründungsrektor der Freien Hochschule für Mission in Korntal (heute Akademie für Weltmission) und Initiator des AfeM.

 

Downloads:

  • Initiates file downloadBild 1: Schirrmacher interviewt Wiesemann
  • Initiates file downloadBild 2: (von links): Der Preisträger Dr. Eberhard Werner mit seiner Familie, dazu der Laudator Dr. Andreas Franz (ganz links) und die afem-Vorstandsmitgliedern Thomas Schirrmacher und Hanna Schmalenbach (rechts)
  • Initiates file downloadBild 3: Coverfoto Podobri, Transformation in Österreich

Dokumente

BQ0195_01.pdf