Bonner Querschnitte 04/2023 Ausgabe 747

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Junge Frau befördert Diskussion über Religionsfreiheit

Ehrung für iranische Bürgerrechtlerin und Konvertitin Mary Mohammadi

(Bonn, 05.05.2023) Für ihren „herausragenden Mut“ und ihre „außergewöhnliche Selbstlosigkeit“ ist die iranische Bürgerrechtlerin Mary Mohammadi am 22. April 2023 mit dem diesjährigen Stephanuspreis für verfolgte Christen im Rahmen eines Festaktes in Bonn ausgezeichnet worden.

Foto (von links): Die Vorsitzende der Stephanus-Stiftung, Michaela Koller, mit Daniela Städiter (IDEA-Redaktionsleiterin) und dem Generalsekretär der Weltweiten Evangelischen Allianz, Prof. Thomas Schirrmacher, während der Preisverleihung mit der live aus den USA zugeschalteten Mary Mohammadi © BQ/IGFMDie 24-Jährige hat nicht nur im Iran das Recht auf Glaubenswechsel für sich persönlich in Anspruch genommen, wo die Abkehr vom Islam als Verbrechen gilt. Sie hat darüber hinaus Informationen über die Verfolgung Andersdenkender durch die totalitäre Diktatur zusammengetragen und veröffentlicht, darunter die menschenunwürdige Behandlung der Häftlinge in den Gefängnissen Qarchak und Fashafoye. Mehrfach wurde sie festgenommen, zweimal längere Zeit inhaftiert, zuletzt 2020. Die damalige US-Regierung setzte sich 2020 in öffentlichen Ansprachen bzw. Interviews für sie ein.

Laudator Michael Brand, menschenrechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, bezeichnete das Bekenntnis der Preisträgerin zu ihrem Glauben und zu den Menschenrechten als „unglaublich“ und „heldenhaft“ und das, was sie erlitt, darunter Haft, Folter und Misshandlungen, als „Martyrium“. Er habe ihr Schicksal als politischer Pate verfolgt und sich für ihre Freilassung eingesetzt.

„Aber niemand konnte diese mutige, tief im Glauben verankerte junge Frau brechen. Das Beispiel verbreitete sich wie ein Lauffeuer“, sagte Brand. Weltweit haben ihr Fall für Aufsehen gesorgt und schließlich die Diskussion darüber befördert, was Religionsfreiheit – das Recht auf die Wahl des Bekenntnisses zum eigenen Glauben – bedeute.

Mutig wie Stephanus

Mohammadi bekannte, dass sie im Alter von 17 Jahren zu Religionen und Weltanschauungen anderer Völker recherchiert habe und Jesus Christus seither als herausragendste Persönlichkeit in der Weltgeschichte betrachte. Es sei im Iran schwierig gewesen, an eine Bibel in persischer Sprache zu kommen, weil deren Besitz verboten sei. Bei der Lektüre habe sie sich bereits gefragt, ob sie so mutig sein könne wie der Diakon der christlichen Urgemeinde Stephanus. Sie habe nicht wissen können, welche Wendung ihr Leben nehmen würde und dass sie eines Tages sogar einen Preis mit seinem Namen erhalten werde. Stephanus war der erste Märtyrer, der wegen seines Bekenntnisses zu Jesus Christus gesteinigt wurde.

Die Preisverleihung ermutige sie, weiter für Menschenrechte und Unterdrückte einzutreten. „Den Stephanus-Preis widme ich allen unbekannten verfolgten Frauen, die für ihre Sache weiterkämpfen, ohne Unterstützung zu bekommen.“ Sie ermutigte alle, die sich für Verfolgte einsetzen, an die Machthaber in den Diktaturen zu appellieren und ihre demokratischen Regierungen einzuschalten, um etwa die Freilassung Gefangener aus politischen oder religiösen Gründen einzufordern. „Von dieser Unterstützung erfahren sie in der Haft definitiv“, betonte sie.

Foto: Thomas Schirrmacher während seiner Ansprache © BQ/IGFMProfessor Thomas Schirrmacher, Generalsekretär der Weltweiten Evangelischen Allianz und Präsident des Internationalen Rates der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, zeigte in seiner Rede auf, dass das Recht auf Religionsfreiheit von seinem historischen Ursprung her ein Recht auf Wechsel des Glaubens ist. Der Übertritt oder Beitritt zu einer Religionsgemeinschaft sei letztlich unmöglich zu kontrollieren oder gar zu unterbinden, wie gerade das Beispiel des Iran zeige. Menschen kennzeichne das Bedürfnis, ihre Überzeugungen gegenüber ihren Mitmenschen zu vertreten, zu verteidigen oder gegebenenfalls zu ändern. Das Verbot des Glaubenswechsels bedeute letztlich, seinen eigenen Kindern nicht zu erlauben, einen anderen Weg als ihre Eltern zu gehen.

Die Stiftungsvorsitzende Michaela Koller warnte davor, den Heldenmut der revoltierenden Frauen im Iran und solcher Bürgerrechtlerinnen wie Mohammadi bald wieder zu vergessen. Die Freiheit, die Bürger in Rechtsstaaten genießen, seien auch einmal unter Opfern erkämpft worden. Pioniere der Freiheit und Gerechtigkeit gingen bewusst ein hohes persönliches Risiko ein. Um einer besseren Zukunft willen sollten sie durch die Menschen, die in Demokratien leben, Unterstützung erfahren.

Zum Schicksal der Preisträgerin

N ach dem Abschuss des Ukraine-International-Airlines-Flug 752 durch eine iranische Flugabwehrrakete, den die Verantwortlichen drei Tage lang leugneten, demonstrierte Mohammadi wie Tausende andere am 12. Januar 2020 gegen die Mullah-Diktatur. Sicherheitskräfte griffen auf dem Azadi-Platz in Teheran brutal zu, nahmen sie fest, misshandelten und erniedrigten sie sexuell. Sie wurde in berüchtigten Kerkern des Teheraner Terrorregimes festgehalten.

Im Alter von 19 Jahren wurde sie erstmals nach ihrem Übertritt vom Islam zum Christentum bei einem Hauskirchentreffen festgenommen und von November 2017 bis Mai 2018 im berüchtigten Evin-Gefängnis eingesperrt. Am 27. Februar 2020 kam sie gegen Zahlung einer Kaution frei – aber sie befand sich noch nicht außer Gefahr. Wegen „Störung der öffentlichen Ordnung“ drohte eine langjährige Haftstrafe. Am 21. Februar 2022 gelang ihr die Ausreise in die USA.

Zur Auszeichnung und der Stiftung

Foto: Die Vorsitzende der Stephanus-Stiftung, Michaela Koller, während ihrer Rede © BQ/IGFMDer Stephanus-Preis wird seit 2006 jährlich verliehen. Zu den Preisträgern zählen Hongkongs ehemaliger katholischer Oberhirte, Kardinal Joseph Zen, der kürzlich für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen wurde, die pakistanische Menschenrechtsanwältin Aneeqa Anthony, Jesuitenpater Frans van der Lugt aus dem syrischen Homs, der ein Jahr nach Preisverleihung von radikalislamischen Kämpfern ermordet wurde, sowie die preisgekürte christliche Schauspielerin Demyana Nassar aus Ägypten. Die in Frankfurt ansässige Organisation hilft diskriminierten sowie verfolgten Christen mit Zuschüssen für ihre Verteidigung oder Ausbildung und macht auf Verletzungen der Religionsfreiheit aufmerksam.


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