Bonner Querschnitte 05/2008 Ausgabe 57

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Hartmut Steeb kritisiert Verunglimpfung von Abtreibungsgegnern

Der Vergleich von Abtreibungsgegnern mit islamistischem Terror entbehrt jeder Grundlage

(Bonn, 22.02.2008) Hartmut Steeb hat sich als 1. Vorsitzender des Netzwerkes „Treffen Christlicher Lebensrecht-Gruppen“ (TCLG) gegen die Verunglimpfung christlicher Abtreibungsgegner als gewalttätige Fundamentalisten gewandt. Steeb bedauert, dass Christen in ihrem Bemühen um das Lebensrecht für alle Menschen immer wieder diffamiert und in eine extremistische Ecke gedrängt würden. So habe zum Beispiel der Präsident der Evangelischen Akademie zu Berlin, Robert Leicht, in einem Kommentar in der Tageszeitung „Tagesspiegel“ (Berlin) die durch nichts bewiesene Behauptung geäußert, dass Abtreibungsgegner ähnlichen Terrorismus betrieben wie die Attentäter des 11. September. Leicht: „Zählt man etwa die Attentate und Gewaltakte, die in den USA aus christlich deklarierter Motivation in den letzten ein, zwei Jahrzehnten verübt worden sind (nicht nur gegen Abtreibungskliniken und -ärzte), so kann man durchaus zu dem Ergebnis kommen, dass dieser religiöse Terrorismus es in der Summe mit dem 9.11-Anschlag aufnehmen kann.“ Dieser Vorwurf gehe an der Wirklichkeit völlig vorbei, so Steeb.

Der im Hauptberuf als Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz tätige Steeb beruft sich mit seiner Aussage auf eine Untersuchung des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit der Weltweiten Evangelischen Allianz. Dieses hatte in einem kürzlich erschienenen Bericht klargestellt, juristisch dokumentiert seien weltweit sieben Morde an Abtreibungsbefürwortern in den Jahren 1993 bis 1998. Die Vorfälle hätten sich ausschließlich in den USA ereignet. Die Täter seien zwar teilweise religiös motiviert gewesen, hätten aber keiner bedeutenden Lebensrechtsorganisation angehört. Ein Mörder habe vermutlich eine Verbindung zum KluKluxKan gehabt. Niemals habe, so das Institut, eine fundamentalistisch geprägte oder evangelikale Kirche Gewalt gegen Abtreibungsärzte oder -kliniken befürwortet oder sich hinter einen der Täter gestellt.

Der Direktor des Instituts für Religionsfreiheit, Prof. Thomas Schirrmacher (Bonn), zieht daraus den Schluss: „Evangelikale können erwarten, nicht wegen einiger weniger, teils ungeklärter Fälle vor zehn Jahren und in einem einzigen Land weltweit in Sippenhaft genommen zu werden.“ Schirrmacher zieht eine Parallele zu Verbrechen von Muslimen. Wenn ein kleiner Prozentsatz täglich Mord und Totschlag in aller Welt verübe und ein weiterer kleiner Prozentsatz dies begrüße, würden Politiker und Kirchenführer nicht müde, davor zu warnen, alle Muslime in einen Topf zu werfen. Eine ähnliche Fairness müsse es auch gegenüber den 420 Millionen Evangelikalen weltweit geben.

Das Treffen Christlicher Lebensrecht-Gruppen (TCLG) ist ein Netzwerk von Personen, die sich aus christlicher Verantwortung für das Lebensrecht jedes Menschen einsetzen. Die Mitglieder gehören zu unterschiedlichen christlichen Gemeinden, Einrichtungen, Initiativgruppen und Organisationen. Die Arbeitsgrundlage des TCLG ist das christliche Menschenbild. Entstanden ist das deutschlandweite Netzwerk des TCLG im Jahr 1986 aus informellen Treffen verschiedener Lebensrechtsgruppen in der Region Rhein-Main. Das TCLG ist Mitglied im Bundesverband Lebensrecht, Berlin.

 

Der Bericht des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit der Weltweiten Evangelischen Allianz „Gewalt gegen Abtreibungskliniken – ein evangelikales oder konservativ-katholisches Problem?“ ist erhältlich beim:

Treffen Christlicher Lebensrecht-Gruppen e.V.
Stitzenburgstraße 7 · 70182 Stuttgart
Tel. 0711-232232, FAX 0711-2364600
email: Opens window for sending emailinfo@tclrg.de; Öffnet einen externen Link in einem neuen Fensterwww.tclrg.de

 

Download des kompletten Berichtes Initiates file downloadhier oder unter Öffnet einen externen Link in einem neuen Fensterwww.ethikinstitut.de

 

Den Anfang des Berichts lesen sie hier:

1. Evangelikale und christliche Selbstkritik

 

Aufgabe des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit der Weltweiten Evangelischen Allianz ist es nicht nur, Verfolgung von Evangelikalen durch andere oder allgemein Verletzung von Religionsfreiheit zu dokumentieren, sondern auch selbstkritisch Buch darüber zu führen, wo und ob evangelikalerseits die Religionsfreiheit und die Menschenrechte anderer nicht respektiert wurden oder werden. Deswegen beteiligt sich das Institut auch federführend an der Erstellung eines Ethikkodexes zusammen mit Weltkirchenrat und Vatikan, um ethisch verwerfliche Methoden der Mission oder der Bekämpfung Andersdenkender in den eigenen Reihen und bei anderen be- und verurteilen, angehen, aber auch für die Forschung erfassen zu können.

In diesem Zusammenhang haben wir uns eingehend mit den Fällen beschäftigt, in denen – vermeintlich oder tatsächlich – evangelikale Christen Mitarbeiter von Abtreibungskliniken angegriffen oder gar getötet oder die Kliniken beschädigt haben, zumal dies immer wieder von Medien schlagwortartig als Argument gegen den evangelikalen Glauben angeführt wird und dies leider nicht nur von Atheisten, sondern auch von nichtevangelikalen Kirchenführern, die dies als vernichtendes Argument gegen ihre theologische Gegner verwenden.

abei geht es uns nicht vorrangig darum, ob die Täter Evangelikale waren, denn Evangelikale gehen davon aus, dass auch Christen und auch evangelikale Christen nach biblischem Zeugnis Sünder sind und böse Taten begehen können, wobei diese Christen dann sogar nach der eindeutigen Aussage von Paulus vom Staat als ‚Diener Gottes‘ bestraft werden sollten (Röm 13,4). Deswegen wird auch ein gewisser Prozentsatz der Evangelikalen an Verbrechen der verschiedensten Art beteiligt sein. Das ist sicher übel, aber Realität, sagt für sich aber noch nichts darüber aus, wie Evangelikale und evangelikale Kirchen und Institutionen zu solchen Taten stehen. Angesichts der enormen Bandbreite innerhalb der 420 Mio. Evangelikalen könnte es ja ohne weiteres sein, dass Splittergruppen oder Einzeltäter zu Gewalt aufrufen oder sie praktizieren, ohne das man dies ohne weiteres der evangelikalen Bewegung als solcher zuordnen könnte. Es wird ja auch nicht jede Tat eines Katholiken dem Vatikan zugeschrie­ben, wenn sie gegen dessen Willen geschieht – jedenfalls hoffentlich nicht.

Entscheidend ist für uns deswegen eher die Frage, ob die Verbrechen eines Evangelikalen von irgendwelchen evangelikalen Organisationen oder Kirchen gefordert, gefördert oder gut geheißen wurden.

2. Friedlicher Protest

Drei Dinge seien vorneweg gesagt:

1. Ich halte Abtreibung für die Tötung eines unschuldigen Menschen und die massenhafte Abtreibung weltweit ebenso wie in Deutschland – allein schon aufgrund der Zahl beendeter Leben – für das größte Menschenrechtsproblem der Gegenwart. Die meisten Christen haben sich viel zu sehr daran gewöhnt und vielleicht werden uns einmal unsere Enkel fragen, wie wir angesichts dieser Katastrophe nur so angepasst in unserer Gesellschaft leben konnten, statt täglich friedlich auf das Problem hinzuweisen und unsere Meinungs- und Pressefreiheit zu nutzen, um die Gewissen der Menschen aufzurütteln.

2. So sehr evangelikale (und viele andere) Christen unter den täglichen Abtreibungen in Deutschland leiden, die sie als unsägliche Gewalt gegen Unschuldige empfinden, dürfen und wollen sie das Recht doch nicht selbst in die Hand nehmen und Gewalt gegen die Beteiligten verüben. Zum Glück haben das ungezählte christliche (auch evangelikale) Lebensrechtsorganisationen, Kirchen und nationale Zusammenschlüsse immer wieder durch offizielle Erklärungen beteuert. Jedes friedliche und legale Mittel sollte genutzt werden, um das Problembewusstsein am Leben zu erhalten. Und Christen sollten dafür beten, dass unser Volk wieder das Leben und die Kinder stärker lieben und eine dementsprechende Regierung und Gesetzgebung bekommt. Zudem sollten sie immer und immer wieder verkündigen, dass Gott jedem Menschen vergibt, ganz gleich, was er getan hat, wenn er sich in Buße und Umkehr auf das Opfer Jesu Christi beruft. Aber wie gesagt: Gewalt gegen Menschen und Sachen ist kein gottgewolltes Mittel zur Veränderung unserer Gesellschaft und Gewalt gegen Geborene ist kein Mittel gegen die Gewalt an Ungeborenen.

Dokumente

BQ0057_01.pdf