Bonner Querschnitte 05/2011 Ausgabe 159

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Internationales Institut für Religionsfreiheit begrü�t Kapstädter Verpflichtung

Sauer lobt die Lausanner Bewegung für ihre Zeitansage

(Bonn, 01.02.2011) Der Dritte Lausanner Kongress für Weltevangelisation im südafrikanischen Kapstadt vom 16.-25. Oktober 2010 hatte 4200 evangelische Leiter aus 198 Ländern zusammengebracht. Am 28. Januar 2011 wurde nun als Ergebnis des Kongresses „Die Kapstädter Verpflichtung: ein Glaubensbekenntnis und ein Aufruf zum Handeln“ veröffentlicht. Das ausführliche, 56 Seiten lange Dokument besteht aus zwei Teilen: dem Kapstädter Glaubensbekenntnis und dem Kapstädter Aufruf zum Handeln.

BQ hat einen der Direktoren des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit (IIRF) der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA), Dr. Christof Sauer, zu dieser Verlautbarung interviewt. Der in Kapstadt wohnende Missionswissenschaftler nahm an dem Kongress teil. Auf Anfrage der WEA, die als Mitveranstalter auftrat, hatte Sauer bereits im Vorfeld des Kongresses zu einem Entwurf Stellung genommen. Außerdem wurde er von der Redaktionsgruppe der Erklärung eingeladen, aus der Arbeit des IIRF heraus Vorschläge für den „Aufruf zum Handeln“ zu unterbreiten. Sauer hatte schon am Zweiten Lausanner Kongress in Manila 1989 teilgenommen und beim Forum 2004 in Pattaya in der Arbeitsgruppe zur verfolgten Kirche mitgearbeitet. Bei dem Kapstädter Kongress verbreitete das IIRF eine Ausgabe des Internationalen Journals für Religionsfreiheit zum Thema „Mission und Verfolgung“ sowie ein neues Buch mit dem Titel „Leiden, Verfolgung und Martyrium“.

 

BQ: Herr Dr. Sauer, was ist Ihr erster Eindruck von der Kapstädter Verpflichtung?

Christof Sauer: Es war eine hervorragende Idee, den ersten Teil, das Kapstädter Glaubensbekenntnis, ganz aus der Perspektive der Liebe zu entwerfen. Dieser Abschnitt mit dem Titel „Für den Herrn, den wir lieben“, nutzte die Gelegenheit, um aus christlicher Perspektive darzulegen, mit welchen Mitteln in der Mission das letztendliche Ziel – nämlich die Verherrlichung Gottes – angestrebt wird: Nicht mit Gewalt oder Macht, sondern mit Liebe. Es ist notwendig, dies heute aus einer biblischen Perspektive zu erläutern, denn Anhänger verschiedener Religionen und Weltanschauungen leihen sich biblische Begriffe und Zitate aus und interpretieren sie auf ihre eigene Weise. Dabei kommen im besten Fall Halbwahrheiten heraus. Diese werden dann oft dazu benutzt, um Christen zu bedrängen, ihr Zeugnis, ihre Mission, sogar diakonische oder soziale Arbeit wie auch humanitäre und Katastrophenhilfe in den Einflussgebieten anderer Religionen aufzugeben. Solche Interpretationen von Liebe und Frieden werden auch dazu benutzt, um Bekehrungen zu Christus als Störung der gesellschaftlichen Harmonie abzulehnen. Oder solche radikalen Lebenswenden werden als zu gefährlich und zu riskant angesehen, und man solle um der Liebe willen niemanden dazu anstiften.

 

BQ: Wie steht es mit dem zweiten Teil – dem Kapstädter Aufruf zum Handeln?

CS: Der ist das Ergebnis eines der umfassendsten weltweiten „Zuhörprozesse“ in der Geschichte des Christentums. Ich denke, diese Erklärung erfasst ganz ausgezeichnet wesentliche Herausforderungen, denen sich die Kirche heute gegenüber sieht. Sie identifiziert ja sechs Hauptprobleme: in einer pluralistischen, globalisierten Welt Zeugnis für die Wahrheit Christi abzulegen, den Frieden Christi in einer zerteilten und zerbrochenen Welt aufzurichten, die Liebe Christi unter Menschen anderen Glaubens zu leben, den Willen Christi für die Weltevangelisation zu erkennen, die Kirche wieder zu Demut, Integrität und Einfachheit aufzurufen und im Leib Christi für die Einheit in der Mission zusammenzuarbeiten. Es ist sehr wichtig, lehrmäßige Aussagen dann auch mit handlungsorientierten Hinweisen zu verbinden und das Ganze auf eine Art und Weise zu tun, die von Christen auf breiter Basis akzeptiert werden kann.

 

BQ: Was fiel Ihnen am Ton der Erklärung besonders auf?

CS: Ich war beeindruckt von dem friedfertigen Ton der Kapstädter Verpflichtung. Das wird zum Beispiel deutlich an der umsichtigen Behandlung der Wohlstandstheologie, ihre Irrtümer werden eindeutig verurteilt, aber ihre Wahrheitsanteile akzeptiert. All dies in einem Ton, der um Einigkeit bemüht ist. Die Verpflichtung ist ein Beispiel für das Lausanner Prinzip der „Weite innerhalb von Grenzen“. Dabei wird unterschieden zwischen Wahrheiten, bei denen unbedingt Einigkeit notwendig ist, und zweitrangigen Themen, bei denen Christen anhand der Bibel zu unterschiedlichen Erkenntnissen kommen können, z.B. die Rolle von Frauen und Männern im Predigtamt und in der Gemeindeleitung.

 

BQ: Was bedeutet diese Erklärung aus einer Perspektive des Einsatzes für Religionsfreiheit und der Bemühungen um ein theologisches Verständnis des Leidens für Christus?

CS: Nach meiner Einschätzung behandelt die Kapstädter Verpflichtung unter allen großen internationalen christlichen Erklärungen bisher drei Herzensanliegen des IIRF am ausdrücklichsten. Sie bringt erstens einen hohen ethischen Maßstab für jegliches Glaubenszeugnis zum Ausdruck. Zweitens berücksichtigt sie die Bedeutung von Leiden, Verfolgung und Martyrium für die Mission. Drittens befürwortet sie den Einsatz für Religionsfreiheit und klärt das Verhältnis zwischen Einsatz und christlichem Zeugnis. In einigen dieser Punkte ist die Kapstädter Verpflichtung viel stärker und detaillierter als die Lausanner Verpflichtung von 1974 und das Manila Manifest von 1989. In früheren Erklärungen wurden Leiden und Verfolgung im Zusammenhang mit der Mission eher als ein pragmatisches oder strategisches Thema behandelt und fanden sich nicht in den theologischen Grundlagen wieder. Es war für die Missionstheologie jetzt sehr förderlich, dass der Vorsitzende der Kapstädter Redaktionsgruppe, Dr. Chris Wright, Demut, Integrität und Einfachheit so stark betonte.

BQ: Sie haben einen Abschnitt über „ethische Mission“ hervorgehoben ...

CS: In diesem Abschnitt gelingt es, Evangelisation und Proselytismus zu unterscheiden. Evangelisation ist ein überzeugendes, rationales Argumentieren und eine freundliche, offene Einladung. Proselytismus dagegen ist unwürdig und versucht andere zu nötigen, „einer von uns“ zu werden. Hier finden wir einen Aufruf, bei der Weitergabe des Evangeliums „gewissenhaft ethisch“ zu sein. Evangelisation soll mit „Sanftmut, Respekt und einem gutem Gewissen“ geschehen. Die Verbreitung von Lügen und Karikaturen über andere Religionen werden ganz eindeutig abgelehnt und verurteilt, ebenso das Anfachen von rassistischen Vorurteilen, Hass und Angst, genauso wie Gewalt und Rache. Diese Aussagen sind sehr hilfreich, doch es ist noch mehr nötig. Es muss noch detaillierter zum Ausdruck kommen, was dies in der Praxis bedeutet, und es muss noch genauer auf die Argumente in der öffentlichen Diskussion eingegangen werden. Das könnte von einem Ethik-Kodex für Mission erreicht werden, wie ihn die WEA vorbereitet.

 

BQ: Warum haben Sie Martyrium erwähnt?

CS: In früheren Jahren gab es in der Lausanner Bewegung die Tendenz, Mission sehr pragmatisch und aus einer Managementperspektive anzugehen. Dabei war man so stark auf Erfolg ausgerichtet, dass man leicht dazu neigte zu vergessen, dass der Sieg Christi nur über den Weg des Kreuzes und der Niederlage möglich war. Ich denke, bei dem Kapstädter Kongress wurde dies überwunden. Die Kapstädter Verpflichtung hat deutlich in ihrer theologischen Grundlegung verankert, was es bedeutet, „unseren Nächsten zu lieben wie uns selbst“. Es bedeutet, auf Hass, Verleumdung, Verfolgung, Gewalt und Mord mit einer Christus-ähnlichen Weise zu reagieren. Ebenso wird eindeutig zum Ausdruck gebracht, wie die Liebe zu Gottes Leuten nach Solidarität mit denjenigen verlangt, die um Christi willen verfolgt werden und leiden. Ja, es wird sogar erwartet, dass die übrige Kirche von der leidenden Kirche wichtige Lektionen zu lernen hat. Allerdings fand ich einige wichtige Aspekte nicht ausreichend zum Ausdruck gebracht, wie Buße über mangelnde Unterstützung der Verfolgten, Nachdenken über die Komplexität von Verfolgung und die Herausforderung, Missionstheologie von dieser Perspektive her zu überdenken. Weiter fehlte mir ein Aufruf an die Gemeinden, sich auf mögliche Verfolgung vorzubereiten und das Thema in der Ausbildung von Theologen und Missionaren fest zu verankern. Diese Aspekte werden in großer Ausführlichkeit in der Bad Uracher Erklärung „Zu einer evangelischen Theologie des Leidens, der Verfolgung und des Martyriums für die weltweite Kirche in ihrer Mission“ zum Ausdruck gebracht. Sie war das Ergebnis einer Konsultation im Jahr 2009 und erschien kurz vor dem Kapstädter Kongress.

 

BQ: Wie schätzen Sie die Aussagen über Religionsfreiheit ein?

CS: Der Abschnitt „Liebe ist um Religionsfreiheit für alle Menschen bemüht“, legt einige wesentliche Grundlagen, wie die Vereinbarkeit der Verteidigung von Religionsfreiheit mit der Bereitschaft für Christus zu leiden. Er betont auch die Notwendigkeit, sich für die Religionsfreiheit aller Menschen einzusetzen, ganz unabhängig von ihrer religiösen Einstellung, und dies von einer Beurteilung ihrer Glaubensvorstellungen zu unterscheiden. Außerdem werden Christen als gute Bürger dargestellt, denen es um das Wohlergehen der Nation geht, in der sie leben. Allerdings gehört im Konfliktfall mit einer Regierung, die „fordert, was Gott verbietet oder verbietet was Gott fordert“, ihre höchste Loyalität Gott. Was in der Kapstädter Verpflichtung nicht ausreichend ausgedrückt wird, ist die Begründung der Religionsfreiheit in der Gottesebenbildlichkeit des Menschen, die Vielfalt der Möglichkeiten, angemessen auf Verfolgung zu reagieren, jeglicher Bezug auf säkulare Menschenrechtskonventionen und die Bereitschaft, über religiöse Grenzen hinweg mit anderen für Religionsfreiheit zusammenzuarbeiten.

 

BQ: Wie schätzen Sie längerfristig die Bedeutung der Kapstädter Verpflichtung ein?

CS: Abgesehen von den persönlichen Kontakten, die bei der Konferenz geknüpft wurden, glaube ich, dass die Verpflichtung die nachhaltigste Wirkung entfalten könnte. Man kann der Lausanner Bewegung nur dazu gratulieren: mit dieser „Landkarte“ hat sie ihren Weg für die nächsten zehn Jahre ausgelotet. Es lohnt sich nach meiner Meinung, die „Zeitansage“ der Kapstädter Verpflichtung in allen christlichen Kirchen und Gruppen zu diskutieren.

 

Links:

  • The Cape Town Commitment: A Confession of Faith and a Call to Action
    Opens external link in new windowwww.lausanne.org/ctcommitment
  • Internationale theologische Erklärung zur Martyriumstheologie veröffentlicht
    Opens external link in new windowwww.iirf.eu
  • Suffering, persecution and martyrdom. Ed. by Sauer & Howell. Religious Freedom Series Vol 2. 2010
    Opens external link in new windowwww.iirf.eu
  • Why Evangelicals need a code of ethics for mission (Thomas Schirrmacher & Thomas K Johnson) in: IJRF Volume 3 Issue 1 2010, pp. 23-37.
    Opens external link in new windowwww.iirf.eu

 

Kontakt:

Dokumente

BQ0159_01.pdf