Bonner Querschnitte 09/2011 Ausgabe 163

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Vereinigung der protestantischen Gemeinden der Türkei ruft zu weltweitem Gebet auf

Verhaftungen von mutmaßlichen Hintermännern der Morde von Malatya

(Bonn, 16.04.2011) Die Vereinigung der protestantischen Gemeinden in der Türkei ruft zum weltweiten Gebet für ihr Heimatland auf. Anlass ist der 4. Jahrestag des Mordanschlages gegen drei Mitarbeiter des christlichen Zirve-Verlages im ostanatolischen Malatya am 18. April. An diesem Tag im Frühjahr 2007 wurden die zwei Türken Necati Aydin, Ugur Yüksel und der Deutsche Tilmann Geske bestialisch ermordet. Die Täter, fünf junge Männer, konnten auf frischer Tat festgenommen werden. Der Prozess dauert an und wird am 29. April fortgesetzt.

Gebetsaufruf

Einer der Hintergründe der Christenfeindlichkeit in der Türkei ist nach wie vor grobe Falschinformation über missionarische Aktivitäten. Fragt man Leute auf der Straße, erhält man zur Antwort:„‚Die kaufen die Leute. Die stecken 100-Dollar-Scheine in die Neuen Testamente und verteilen sie.‘ Das ist zur Grundüberzeugung der Bevölkerung geworden“, so Pastor Ihsan Özbek (Ankara) im Video des Gebetsaufrufes.

„Das Wichtigste ist, dass Gott sich irgendwie über die vorhandenen Lügen und Vorurteile hinwegsetzt“, schlussfolgert Pastor Zekai Tanyar (Izmir). Es sei nötig, für neue Kraft zu beten, denn immer „an der Front zu sein, ist ermüdend“, resümiert der leitende Pastor der türkischen Christen. Es sei deshalb wichtig, „dass die Gläubigen wirklich in enger Beziehung mit dem Herrn leben.“

Die Witwe Shemse Aydin bittet: „Möge das Blut Jesu Christi und das Blut von Necati und Ugur, die ja Türken waren, einen Weg für die Türkei bereiten, das Licht Jesu Christi zu sehen. Möge ihr Blut die Augen der Menschen öffnen, sodass sie die Liebe Jesu Christi sehen können, seine in Liebe ausgestreckten Arme, sein Verlangen danach, sie mit seiner Barmherzigkeit zu umgeben.“

In der Türkei mit ihren über 72 Millionen Einwohnern gibt es nur etwa 100 evangelische Gemeinden mit zur Zeit ca. 4000 Gläubigen. Das sind 0,005% der Einwohner.

Der schriftliche Gebetsaufruf und ein Video finden sich im Internet unter Opens external link in new windowwww.prayforturkey.com/letter-german.html.

Verhaftungen mutmaßlicher Hintermänner

Der seit November 2007 laufende Prozess um die Aufklärung der Morde von Malatya hat neue Dynamik erfahren, nachdem vor wenigen Wochen 20 mutmaßliche Hintermänner der Tat bei einer konzertierten Aktion in neun Provinzen der Türkei festgenommen wurden. Unter ihnen befindet sich der islamische Theologieprofessor Ruhi Abat von der Inonu Universität Malatya sowie Mehmet Ulger, ein pensionierter Kommandeur der Polizei in Malatya, der aber vor vier Jahren noch im Dienst war.

Orhan Kemal Cengiz, einer der Opferanwälte, bestätigte gegenüber Compass Direct News (Istanbul), dass die Namen der jetzt inhaftierten Personen bereits seit einem Hinweis im Mai 2008 bekannt gewesen seien. Seitdem habe man versucht, die Staatsanwaltschaft von Malatya dazu zu bewegen, diesem und weiteren Hinweisen nachzugehen.

Der Istanbuler Staatsanwalt Zekeriya Öz, der den Ergenekonprozess leitet, hatte die neuerlichen Verhaftungen angeordnet, nachdem sich Hinweise auf eine Verwicklung sowohl in die Malatya-Morde als auch in das Ergenekon Netzwerk verdichtet hatten. Diesem Netzwerk von Politikern der nationalistischen Opposition, Militärs und Angehörigen der Justiz und der Bildungselite wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, einen Putsch gegen die Regierung unter Premier Erdogan geplant zu haben. Mittlerweile gibt es nahezu 300 Verdächtige. Seit Oktober 2008 läuft der Prozess in Silivri nahe Istanbul.

Bereits seit Anfang 2010 gibt es konkrete Hinweise darauf, dass nicht nur die Morde von Malatya, sondern auch der Mord an dem armenischen Publizisten Hrant Dink in Istanbul (Januar 2007) sowie der Mord an einem katholischen Geistlichen in Trabzon (Februar 2006) ihren Hintergrund in Aktivitäten von Ergenekon haben (für die Details vgl. Opens external link in new windowBQ 135, 13/2010).

Anschlag auf Pastor in Izmir fehlgeschlagen

Dass die Lage für Christen nach wie vor sehr angespannt ist, macht ein jüngster Anschlag auf einen Geistlichen in Izmir vor zwei Wochen deutlich. Der Mordversuch an Pastor Andrew Brunson scheiterte glücklicherweise, weil Polizisten den Angreifer sehr schnell überwältigen konnten, nachdem er die Waffe gezogen hatte.

Seit den Morden von Malatya haben einige Pastoren Personenschutz, sehr viele Gemeinden werden permanent oder zumindest im Umfeld von Veranstaltungen von der Polizei bewacht. Zusätzlich haben viele Gemeinden auf dringendes Anraten der Polizei hin in Überwachungstechnik investiert. 

 

Links für weitere Hintergründe und Informationen:

 

Downloads:

  • Gebetsaufruf für die Türkei (Initiates file downloadpdf)

Dokumente

BQ0163_01.pdf