Bonner Querschnitte 2/2005 Ausgabe 2

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Gibt es Familie ohne Werte und Ethik?

Leiter des Instituts für Lebens- und Familienwissenschaft plädiert für eine Wende in der Familienpolitik

B o n n (Bonn, 09. Februar 2005) – Das „Forum Familie stark machen!“, ein überkonfessioneller, überparteilicher Zusammenschluß verschiedener Vertreter aus Politik und Gesellschaft, hat sich zum Ziel gesetzt, Familien in der Gesellschaft zu stärken. Dazu soll vor allem die Kommunikation zu Familienthemen in Gang gesetzt werden. Unter anderem deshalb hatte es kürzlich zu einem Expertengespräch geladen, das live am 1. Februar über den Fernsehsender Phoenix übertragen wurde. Lesen Sie nachfolgend dazu eine Pressmeldung der Agentur ideaSpektrum und einen Kommentar von Thomas Schirrmacher, der selbst als Experte geladen war.


Familien brauchen zuverlässige und treue Männer

Forscher: Frauen heiraten oft nicht, weil ihnen die
Männer nicht gut genug sind

M a i n z (idea) – Kritik an dem von den Medien verbreiteten Bild von Männlichkeit hat der Leiter des Instituts für Lebens- und Familienwissenschaft, der Ethiker und Religionswissenschaftler Prof. Thomas Schirrmacher (Bonn), geübt. „Entweder wird Männlichkeit im Sinn des Westernhelden John Wayne gesehen, der einsam seine Entscheidungen trifft, oder im Sinne von möglichst vielen sexuellen Beziehungen.“ Statt dessen sei eine Rückkehr zu Tugenden wie Verantwortung, Zuverlässigkeit und Treue als Kennzeichen von Männlichkeit notwendig, sagte Schirrmacher in einem Expertengespräch des Forums „Familie stark machen“ am 1. Februar in Mainz. Bei dieser von der ZDF-Moderatorin Gundula Gause geleiteten Gesprächsrunde diskutierten 14 Familienexperten über das Thema „Braucht man eine Familie, um glücklich zu sein?“ Die niedersächsische Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU), selbst siebenfache Mutter, bezeichnete Kinder als „die einzigartige Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens“. Der Bremer Geschlechter- und Generationenforscher Gerhard Amendt ging auf die Frage ein, woran die Familiengründung häufig scheitert. Nach seinen Erkenntnissen heiraten Frauen oft deshalb nicht, weil die Männer ihnen nicht gut genug seien. „Frauen wollen Karriere machen und einen Mann für sich gewinnen, der noch höher steht als sie selbst. Gelingt das nicht rechtzeitig, ist das Thema Familie gelaufen.“

Umfrage: Eltern mit Kleinkindern am glücklichsten

Nach Angaben des Forums ist die Familie besser als ihr Ruf. Eine von ihm in Auftrag gegebene Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach hat ergeben, daß 86 Prozent aller Eltern und 76 Prozent aller Großeltern der Aussage zustimmen „Mein Familie macht mich glücklich“. 75 Prozent der Deutschen erklärten, der

Zusammenhalt innerhalb der Familie sei gut. Am glücklichsten sind der Umfrage zufolge die Eltern von Kleinkindern. Von ihnen bezeichnen sich 45 Prozent als „sehr glücklich“. In der Gesamtbevölkerung sagen dies lediglich 31 Prozent. Das Forum „Familie stark machen“ ist ein überparteilicher und überkonfessioneller Zusammenschluß.

Familienpolitik - wie auf einem anderen Stern!

Kommentar von Thomas Schirrmacher über das Expertengespräch
zum Thema Familie am 1. Februar (live auf Phoenix)

Familie ist wieder in. Mit Familienpolitik kann man wieder punkten und mancher Wendehals, der selbst am Zusammenbruch der Familie beteiligt war, spricht plötzlich wieder über Glück und Notwendigkeit des Familienlebens.

Das bringt überzeugte Anhänger der Familie, die sich seit Jahren und Jahrzehnten dafür eingesetzt haben, daß die Zukunft unserer Gesellschaft nicht in Kraftwagen, sondern in Kinderwagen besteht, in eine Zwickmühle.

Einerseits kann man sich nur freuen, daß Familie und viele Kinder wieder hoffähig werden, daß sich das „Forum Familie stark machen“ im Fernsehsender Phoenix mit Kardinal Lehmann, gestandenen Professoren und einer Politikerin, der niedersächsischen Familienministerin Ursula von der Leyen, mit sieben Kindern präsentiert. Und die Forderung der Ministerin war dann auch deutlich genug: Eine Gesellschaft, in der die Familie wieder im Mittelpunkt stehen soll, habe sich Wirtschaft und Gesellschaft um sie herum zu gruppieren.

Andererseits wirkte die ganze Diskussion wie auf einem anderen Stern. Sie hatte weitgehend mit der Realität nicht viel zu tun, da man konsequent die eigentlichen Ursachen, die zum Zusammenbruch der Familie geführt haben, ignorierte, nämlich die Werte. Selbst Kardinal Lehmann kam in seiner Ansprache und seinen Diskussionsbeiträgen Themen wie Paragraph 218, Pornographie, freizügige Sexualität, Scheidung, Familienfeindlichkeit der Arbeits- und Karrierebedingungen, Verunglimpfung des ‚Nur-Hausfrau-Seins’ und der Ehe nicht einmal nahe - für einen katholischen Bischof eine beachtliche Leistung! Hätte da nur Kardinal Meisner aus Köln gestanden! Und die anderen Teilnehmer standen Lehmann in nichts nach, von den evangelikalen Stimmen abgesehen.

Wie kann man etwa die Tatsache, daß wir derzeit erhebliche Teile der nächsten Generation im Mutterleib töten, nur völlig ausblenden! Immer wieder kam zur Sprache, daß Frauen keine zuverlässigen Partner mehr fänden und dies der Hauptgrund für den Verzicht auf Kindern sei, wie neuere Untersuchungen immer wieder zeigten. Wie kann man dabei die Frage der Sexualität völlig ausblenden, obwohl nach wie vor sexuelle Untreue der führende Scheidungsgrund ist, selbst bei Hollywoodschauspielern?

Man hatte das Empfinden, als wenn die Wesen, für deren Erhalt man sich einsetzte, irgendwie auf dem Mars sind und ihre Vermehrung sich theoretischen Überlegungen verdankt, nicht biologischen, kulturellen und ethischen Realitäten.

Kann man aber eine Wende in der Familienpolitik erreichen, ohne über die Gründe zu sprechen, die die Familie in Mißkredit gebracht haben? Kann man Familie fördern, wenn es oberstes Gebot ist, niemandem auf die Zehen zu treten, auch wenn er letztlich der Familie schadet? Ist jungen Menschen geholfen, wenn man ihnen Mut zur Familie macht, aber bloß nichts von dem anspricht, was Familie gefährdet? Gibt es denn überhaupt Familie ohne Werte und Ethik? Meines Erachtens hilft man so jungen Menschen, die sich derzeit entscheiden müssen, nicht weiter. Meine Erfahrung zeigt mir immer wieder, daß sie sich wünschen, daß wieder Klartext gesprochen wird und man das Übel an der Wurzel erfaßt.

Dokumente

bq0002_02.pdf