Bonner Querschnitte 23/2012 Ausgabe 217

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Staatsanwälte und Richter im Malatya-Mord-Prozess ausgetauscht

Zwiespältige Entwicklungen kennzeichnen den Fortgang des Malatya-Prozesses.

(Bonn, 01.09.2012) Kurz vor der Fortsetzung des Mord-Prozesses an diesem Montag (03. September) in Malatya gibt es beunruhigende Entwicklungen. Wie der Generalsekretär der Evangelischen Allianz der Türkei, Umut Sahin (Izmir), mitteilte, wurden plötzlich der Staatsanwalt, der erst im Juni eine neue Anklageschrift verfasst hatte, ein anderer seit Beginn der Prozesses beteiligter Staatsanwalt sowie zwei beisitzende Richter von der Führung des Prozesses entbunden und an ihrer Stelle zwei neue Staatsanwälte und zwei neue Richter ernannt.

Wie Sahin betonte, sei nicht bekannt, ob es sich bei diesen Versetzungen um Eingriffe von höherer Stelle handele oder ob sie einfach ungewollte Folge der kürzlichen gesetzlichen Aufhebung von „Gerichten mit Sondervollmacht“ (Özel Yetkili Mahkeme) seien. Auf jeden Fall werde die Aufarbeitung der Malatyamorde dadurch erheblich erschwert. Allein der neuen zusätzlichen Anklageschrift seien weitere Beweisstücke im Umfang von 40.000 Seiten hinzugefügt.

Grundsätzlich begrüße man aber die Entwicklung der letzten Monate, die besonders durch vertiefte Ermittlungen gekennzeichnet ist. Mit Datum vom 08. Juni dieses Jahres hatte die Staatsanwaltschaft eine stark erweiterte und präzisierte Anklageschrift eingereicht. Während sich die erste Anklageschrift vor fast fünf Jahren auf die fünf jungen Männer konzentrierte, die als mutmaßliche Mörder am Tatort verhaftet wurden, stellt die Staatsanwaltschaft nun eine Verbindung zu einem Netzwerk von Hintermännern her. Der Malatya-Prozess soll aufgrund der Anklageschrift mit dem großen Ergenekon-Prozess verbunden werden, in dem eine weitverzweigte Verschwörung des „tiefen Staates“ gegen die Regierung vor Gericht steht.

Die neue Anklageschrift stellt die Christen-Morde von Malatya außerdem in den größeren Zusammenhang zahlreicher Anschläge, Attentate und Hetzkampagnen gegen andere Christen in der Türkei. Insbesondere weist sie auf Verbindungen zu den Morden gegen den katholischen Priester Andrea Santoro im Februar 2006 in Trabzon und gegen den armenischen Journalisten Hrant Dink im Januar 2007 in Istanbul hin.

Am 18. April 2007 waren im osttürkischen Malatya die drei Christen Necati Aydin, Ugur Yüksel und Tilmann Geske von fünf jungen Männern ermordet worden. Necati Aydin und Ugur Yüksel sind die seit Gründung der türkischen Republik im Jahre 1923 ersten bekannten vom Islam zum Christentum konvertierten Gläubigen, die den Märtyrertod gestorben sind.

 

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