Bonner Querschnitte 34/2015 Ausgabe 370

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Kritik des real-existierenden Dialogs mit islamischen Verbänden

Johannes Kandel veröffentlicht „problembezogenen und kritisch kommentierenden Abriss des christlich-muslimischen Dialogs in Deutschland“

(Bonn, 02.09.2015) Nach seinem Buch „Islamismus in Deutschland“ hat der Berliner Politikwissenschaftler Johannes Kandel nun eine kritische Geschichte und Diskussion des interreligiösen Dialogs mit muslimischen Verbänden in Deutschland veröffentlicht.

Der Autor definiert den interreligiösen Dialog normativ als ein Ensemble intentionaler Interaktionen und Kommunikationen von Angehörigen verschiedener Religionen und konzentriert sich auf die Entwicklungsetappen des christlich-muslimischen Dialogs in Deutschland. Er bietet einen problembezogenen und kritisch kommentierenden Abriss des christlich-muslimischen Dialogs und kommt zu dem Ergebnis, dass der christlich-muslimische Dialog von einem gesellschaftspolitisch bedeutsamen Grundmotiv geprägt wird. Es geht um Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Religionen können dazu einen bedeutsamen Beitrag leisten, wenn sie zu einem Grundkonsens im Blick auf die Säkularität des Staates, Menschenrechte, Demokratie und Pluralismus finden. Der Dialog zwischen Christen und Muslimen darf nicht um des Friedens willen harmonistisch Probleme und Konflikte zudecken, sondern muss als kritische Streitkultur verfasst sein.

Dr. phil. Johannes Kandel, geboren <st1:metricconverter productid="1950 in" w:st="on">1950 in</st1:metricconverter> Berlin, Politikwissenschaftler und Historiker, ist Dozent und freier Autor. Er ist Mitglied des Kuratoriums der „Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen“ (EZW). Er war 1999 – 2014 Referatsleiter für den Bereich „Interkultureller Dialog“ der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin. Er ist Autor und Herausgeber mehrerer Bücher zum Thema multikulturelle Gesellschaft und Religion und Gewalt, zuletzt „Islamismus in Deutschland“.

Bibliografische Angaben:

·         Johannes Kandel. Streitkultur statt Harmonisierung: Eine kritische Bestandsaufnahme des christlich-muslimischen Dialogs. Verlag für Kultur und Wissenschaft: Bonn, 2015. 244 S. Pb. 18,00 € [D]. ISBN 978-3-86269-039-8

 

Interview

Bonner Querschnitte: Herr Kandel, Sie sind für Dialog zwischen Christen und Muslime und haben viele Dialogveranstaltungen mit organisiert oder begleitet und sehen doch den größten Teil des Dialogs, der stattfindet, sehr kritisch. Wieso?

Kandel: Weil häufig sowohl die theologischen Differenzen zwischen Christentum und Islam nicht deutlich genug aufgezeigt werden als auch zentrale islamische Positionen zum Dschihad, zur Apostasie (Abfall vom Islam), zur Frauenfrage und zum Leben christlicher Minderheiten unter dem Islam verharmlost werden. Es wird nicht deutlich gesagt, dass es menschenrechtlich inakzeptable Doktrinen und religiöse Praktiken im Islam gibt. Und häufig wird der Zusammenhang von Islam und Islamismus geleugnet.

 

BQ: Sie fordern, dass Dialog auch gerade „Streitkultur" sein muss und nicht „harmonistisch“ ablaufen soll. Können Sie das einem beispielhaften Thema deutlich machen?

Harmonismus wäre es z.B., so zu tun, als sprächen wir alle, Christen und Muslime, von demselben Gott. Oder dass Abraham unser aller Vater wäre. Auch sollten die ganz verschiedenen Konzepte von Demokratie (im Islam „Shura“, d.h. Beratung einer politisch-religiösen Elite), Menschenrechten (im Islam unter Scharia-Vorbehalt) und Frieden (im Islam dann erreicht, wenn alle Muslime sind) angesprochen werden.

 

BQ: Was sind wesentliche Voraussetzungen für einen sinnvollen Dialog?

Religiöse Identität der eigenen Position und Kompetenz zum Religionsvergleich, Gesprächsfähigkeit, Streitkulturfähigkeit.

 

BQ: Mit welchen Ansätzen und Denkvoraussetzungen gehen Ihrer Erfahrung nach muslimische Dialogpartner an den Dialog heran?

Sind Muslime in der Minderheitsposition, dient der Dialog häufig ganz pragmatisch der Stärkung der islamischen Gemeinschaft durch Teilhabe an wichtigen gesellschaftlichen Funktionsbereichen. Auch wird der Dialog oft als Vorstufe oder gar Teil der „Da’Wa“ (Einladung zum Islam, „Mission“) betrachtet. Sind Muslime in der Mehrheitsposition, dient der Dialog der Verkündung und Ausbreitung der „wahren Religion“, eben des Islam.

 

BQ: Was ist Ihr größter Wunsch an Politiker und Kirchenvertreter im Dialog?

Wahrnehmung des Islam, wie er wirklich dominant existiert, ungeachtet aller Binnendifferenzierungen. Keine Verharmlosungen und Beschönigungen der dunklen Seiten des Islam. Und Fähigkeit zum produktiven Streit über die tatsächlich epochalen Fragen: Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung, Demokratie, Frieden und Menschenrechte.

 

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Dokumente

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