Bonner Querschnitte 36/2014 Ausgabe 322

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Standardwerk zum Antisemitismus von Lehrern verwendet

(Bonn, 03.11.2014) Das im Sommer veröffentlichte Buch „Antisemitismus – Ausbeutung – Unterdrückung“ von Heiner Ehrbeck (vgl. BQ 23/2014) wird gut angenommen.

Im Folgenden bieten wir Ihnen eine kürzere und eine längere Buchbesprechung des Erziehungswissenschaftlers Ralph Fischer.

Rezension kurz

Heiner Ehrbecks Hauptthese in seinem Buch Antisemitismus – Ausbeutung – Unterdrückung. Ein Beitrag zum jüdisch-christlichen Dialog lautet, dass Antisemitismus stets die Manipulation breiter Massen im Rahmen autoritärer Denkstrukturen durch interessierte Mächte wie z.B. Kirchen oder Staatswesen sei: „Antisemitismus kann (…) als politisches Mittel angesehen werden, dass zur Begründung und Erhaltung autoritärer Macht eingesetzt wurde“ (S. 480). „Der Jude“ wird damit zum stellvertretenden Sündenbock für alle möglichen Missstände und Probleme in einer Gesellschaft, die eigentlich durch den Übergang in demokratische Strukturen zu lösen wären, was aber wiederum den Einfluss der herrschenden Mächte in Frage stellen würde und von daher unerwünscht ist.

Darüber hinaus hat Antisemitismus eine warnende Funktion für die Schicht der Beherrschten: „Die willkürliche Behandlung von Juden konnte als abschreckendes Beispiel für die übrigen Bevölkerungsteile dienen“ (S. 480).

Der mörderische Antisemitismus der Nationalsozialisten folgt damit im Grunde den gleichen Herrschaftsprinzipien wie der Antisemitismus z.B. der mittelalterlichen Kirche, der nicht Vernichtung „der Juden“, sondern „nur“ ihre „Bekehrung“ zum Ziel hatte. In Beiden Fällen diente er jedoch zur Legitimation von Herrschaftsinteressen.

 

Unter diesem Blickwinkel hat Ehrbeck in seiner Schrift eine beeindruckende Quellenfülle zum Thema Antisemitismus, nach verschiedenen historischen Epochen gut organisiert, zur Verfügung gestellt, was dem Werk auch eine enzyklopädische Qualität zukommen lässt. Besonderen Wert erlangt das Buch auch für den schulischen Unterricht. Zum einen bietet die Materialfülle mannigfache Lernanlässe, die im Rahmen fachübergreifenden wie fachspezifischen Lernens zum Thema Antisemitismus eingesetzt werden können.

Zum anderen entwirft Ehrbeck eine eigene Unterrichtskonzeption zum Thema Antisemitismus, die das Thema aus der oben dargestellten Sicht (Antisemitismus als Manipulation der Beherrschten durch herrschende Mächte) verstehbar macht.

Heiner Ehrbecks Buch ist mithin nicht nur jedem Lehrer als Anregung und Unterstützung bei der Materialbeschaffung zu empfehlen, der in seinen Fächern das Thema Antisemitesmus kompetent und aufklärerisch behandeln möchte, es ist auch eine Fundgrube an Materialien für den am Thema interessierten Leser und eine wohltuende Richtigstellung vieler antisemitischer Stereotype, die noch heute in den Köpfen vieler Menschen vorhanden sind.

Rezension lang

Ein Friedrich Nietzsche zugeschriebener Satz lautet, Antisemitismus sei das Opium des Kleinen Mannes. Dieser Satz könnte auch über der Arbeit Antisemitismus – Ausbeutung – Unterdrückung. Ein Beitrag zum christlich-jüdischen Dialog von Heiner Ehrbeck stehen.

Ehrbecks Hauptthese lautet nämlich, dass Antisemitismus stets die Manipulation breiter Massen im Rahmen autoritärer Denkstrukturen durch interessierte Mächte wie z.B. Kirchen oder Staatswesen sei: „Antisemitismus kann (…) als politisches Mittel angesehen werden, dass zur Begründung und Erhaltung autoritärer Macht eingesetzt wurde“ (S. 480).

„Der Jude“ wird damit zum stellvertretenden Sündenbock für alle möglichen Missstände und Probleme in einer Gesellschaft, die eigentlich durch den Übergang in demokratische Strukturen zu lösen wären, was aber wiederum den Einfluss der herrschenden Mächte in Frage stellen würde und von daher unerwünscht ist.

Darüber hinaus hat Antisemitismus eine warnende Funktion für die Schicht der Beherrschten: „Die willkürliche Behandlung von Juden konnte als abschreckendes Beispiel für die übrigen Bevölkerungsteile dienen“ (S. 480).

Der mörderische Antisemitismus der Nationalsozialisten folgt damit im Grunde den gleichen Herrschaftsprinzipien wie der Antisemitismus z.B. der mittelalterlichen Kirche, der nicht Vernichtung „der Juden“, sondern ihre „Bekehrung“ zum Ziel hatte. In beiden Fällen diente er jedoch zur Legitimation von Herrschaftsinteressen.

 

Unter diesem Blickwinkel wird in seiner Schrift eine beeindruckende Quellenfülle zur Verfügung gestellt.

Er teilt dabei die letzten 2000 Jahre in sieben Epochen mit spezifischen Formen des Antisemitismus auf, beginnend bei Archaische Formen des Antisemitismus vom 1. bis 11. nachchristlichen Jahrhundert bis hin zu Vom Beginn des Rassismus bis zum Holocaustim 20. Jahrhundert.

Jeder dieser Zeitabschnitte wird nicht nur ausführlich in Hinblick auf ihre epochaltypischen Fragestellungen und ihrem Bezug zum Antisemitismus dargestellt, Ehrbeck untermauert seine Darstellungen auch durch die reichhaltige Darbietung interessanter Dokumente, die dem Buch einen enzyklopädischen Wert verleihen. Der Leser kann direkt auf eine ihn interessierende Epoche zugreifen und sich informieren. Dabei schreckt Ehrbeck auch vor schwierigen Kapiteln, wie dem Verhältnis der Reformation zum Antisemitismus nicht zurück.

 

Besonderen Wert erlangt Ehrbecks Buch so auch für den schulischen Unterricht. Zum einen bietet die Materialfülle mannigfache Lernanlässe, die im Rahmen fachübergreifenden wie fachspezifischen Lernens zum Thema Antisemitismus eingesetzt werden können.

Zum anderen entwirft Ehrbeck eine eigene Unterrichtskonzeption zum Thema Antisemitismus, die das Thema aus der oben dargestellten Sicht (Antisemitismus als Manipulation der Beherrschten durch herrschende Mächte) verstehbar machen möchte.

 

Darüber hinaus ist Ehrbecks Schrift auch eine kompakte Einführung in das Judentum von seinen Anfängen bis heute, wobei der Autor gängige antisemitische Klischees widerlegt (wie z.B. den weitverbreiteten Irrtum, dass der Gott des Alten Testamentes ein Gott der Rache und nicht identisch mit dem des Neuen Testamentes sei) und richtigstellt.

Heiner Ehrbecks Buch ist mithin nicht nur jedem Lehrer als Anregung und Unterstützung bei der Materialbeschaffung zu empfehlen, der in seinen Fächern das Thema Antisemitesmus kompetent und aufklärerisch behandeln möchte, es ist auch eine Fundgrube an Materialien für den am Thema interessierten Leser und eine wohltuende Richtigstellung vieler antisemitischer Stereotype, die noch heute in den Köpfen vieler Menschen vorhanden sind und sich zwischen den christlich-jüdischen Dialog stellen. Wer Antisemitismus verstehen und antisemitische Thesen argumentativ kraftvoll widerlegen möchte, sei Ehrbecks Schrift dringend ans Herz gelegt.

 

Zum Autor der Rezensionen

Ralph Fischer (Jhrg. 1977) studierte Erziehungs- und Sozialwissenschaften und promovierte mit der Arbeit „Homeschooling in der Bundesrepublik Deutschland. Eine erziehungswissenschaftliche Annäherung“ am Lehrstuhl für Bildungswissenschaften der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn. Von ihm stammen zahlreiche Veröffentlichungen zu Jacques Offenbach, der Geschichte und Theorie der Operette und zur Musikdidaktik. Gemeinsam mit Prof. Volker Ladenthin ist er Herausgeber der Anthologie „Homeschooling. Tradition und Perspektive.“ Zurzeit habilitiert er über ein bildungspolitisches Thema.

 

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