Bonner Querschnitte 45/2018 Ausgabe 562
ZurückAudienz beim Katholikos der Armenisch-Apostolischen Kirche und beim Armenischen Präsidenten
(Bonn, 13.12.2018) Der Vorsitzende des Zentralrates Orientalischer Christen und stellvertretende Generalsekretär der Weltweiten Evangelischen Allianz, Thomas Schirrmacher, wurde mit seiner Frau, der Bonner Islamwissenschaftlerin Christine Schirrmacher, vom Oberhaupt der Armenisch-Apostolischen Kirche, Katholikos Karekin II. Nersissian, zur Audienz empfangen, nachdem sie im Völkermorddenkmal Zizernakaberd in Jerewan der 1,5 Millionen Opfer des Armeniergenozids ab 1915 gedacht hatten. Christine Schirrmacher hält regelmäÃig Vorlesungen zu diesem Genozid an der Universität Bonn.
Vor und nach der Audienz besuchten Thomas und Christine Schirrmacher das Parlament, den ehemaligen Präsidenten, die einzige wiederaufgebaute gröÃere Moschee des Landes sowie mehrere Menschenrechtsorganisationen, darunter auch den armenischen Zweig der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte unter Vorsitz von Frau Bela Shikaryan. Die Reise wurde organisatorisch von Dr. Gayene Werk (Schwerin) von der Deutsch-Armenischen Gesellschaft betreut.
Da der Präsident des Landes nicht im Land war, wurde das Treffen kurz darauf in Berlin nachgeholt. Armen Sarkissjan (in wissenschaftlicher Transliteration Armen Sargsyan), geboren 1953 in Jerewan, ist ein armenischer Physiker, Informatiker, Unternehmer, Diplomat und Politiker. Sarkissjan war vom November 1996 bis zum März 1997 Premierminister von Armenien. Seit April 2018 ist er Staatspräsident seines Landes und hat die Samtene Revolution 2018 umsichtig begleitet.
Schirrmacher besuchte auch Vertreter früherer Regierungen, um sich ein umfassendes Bild zu machen und um sie um Unterstützung für den neuen Kurs zu bitten, so den früheren Präsidenten von Armenien, Robert Kotscharjan, und den Vizepräsident der Nationalversammlung, Eduard Sharmazanov.
Robert Kotscharjan war 1992â1994 Premierminister von Berg Karabach und 1994â1997 Präsident von Berg Karabach, 1997â1998 dann Ministerpräsident Armeniens und 1998â2008 Präsident Armeniens.
Eduard Sharmazanov ist seit 2011 Vizepräsident der Nationalversammlung der Republik Armeniens und Sprecher der Republikanischen Partei, der Regierungspartei bis zur Samtenen Revolution 2018. Er gehört dem Parlament seit 2007 an.
2015 begann in Armenien der Umbau des semi-präsidentiellen zu einem parlamentarischen System. Dadurch erhielt das Parlament gröÃere Kompetenzen. Demgegenüber verblieben dem Präsidenten vor allem repräsentative Aufgaben. Nachdem der letzte Präsident sich nach Ablauf seiner letzten möglichen Amtszeit kurzerhand zum Ministerpräsidenten wählen lieÃ, kam es zu anhaltenden Massendemonstrationen, der sogenannten âSamtenen Revolutionâ, deren Anführer schlieÃlich übergangsweise Ministerpräsident ohne Parlamentsmehrheit wurde, weswegen man im Dezember 2018 ein neues Parlament gewählt hat.
Wegen der vermeintlichen Nähe des Katholikos zur alten Regierung kam es zum ersten Mal zu Demonstrationen vor seinem Amtssitz, mit der Forderung nach einer stärkeren Trennung von Kirche und Staat und dem Rücktritt des Katholikos. Seit 2009 war Proselytismus weg von der Armenisch-Apostolischen Kirche verboten. Religiöse Minderheiten waren im Missionieren stark eingeschränkt. Schirrmacher setzte sich deswegen beim Katholikos für die Unterstützung der geforderten Religionsfreiheit im Land ein.
Das Genoziddenkmal Zizernakaberd auf einem Hügel in Jerewan erinnert an den Völkermord an 1,5 Millionen Armeniern ab 1915 und ist Ort der jährlichen Gedenk-zeremonie am 24. April. Es wurde 1967 eröffnet. Nach der Unabhängigkeit des Landes wurden 1995 Gedenkmauer und Museum hinzugefügt.
Thomas und Christine Schirrmacher trafen auf Vermittlung des armenischen Zweiges der IGFM die Vorsitzenden mehrere Menschenrechtsorganisationen. Ausführlich informierten sie sich in einem Gespräch mit Karen Zadoyan, Präsident der Armenian Lawyerâs Association, und weiteren Vorstandsmitgliedern (siehe Foto) über die Arbeit dieser Menschenrechtsorganisation, die neben klassischen Menschenrechtsfällen vor allem Korruption mit Hilfe von Antikorruptionszentren im ganzen Land bekämpft und ärmere Mitbürger arbeitsrechtlich verteidigt. Dabei lieà sich Schirrmacher über die enormen Fortschritte der Korruptionsbekämpfung seit der Samtenen Revolution 2018 informieren.
Der Katholikos wurde 1951 geboren, studierte ab 1975 in Bonn Theologie und war bald der geistliche Repräsentant der damals neun armenischen Kirchengemeinden in Deutschland, weswegen er bis heute Deutsch spricht. 1983 wurde er Bischof, 1992 Erzbischof. 1999 wurde er als 132. Katholikos gewählt. 2013 wurde er im koreanischen Busan zu einem der Präsidenten des Ãkumenischen Rates der Kirchen gewählt.
Unter anderem sprach der Katholikos von einem âdeutschen Monatâ, da vor Schirrmacher Bundeskanzlerin Angela Merkel und der EKD-Ratsvorsitzende Bischof Heinrich Bedford-Strohm dem Katholikos ihre Aufwartung gemacht hatten.
Schirrmacher traf den Katholikos erstmalig 2013 bei der Amtseinführung von Papst Franziskus in Rom, sodann im selben Jahr in Busan bei der Vollversammlung des ÃRK sowie bei dessen Besuch in Berlin, als die EKD die Häupter der altorientalischen Kirchen zum Gedenken an 500 Jahre Reformation eingeladen hatte.
An dem Gespräch nahm auch Bischof Shahe Ananyan, Direktor des Departments für ökumenische Beziehungen des Muttersitzes des Heiligen Etschmiadsin der Armenisch-Apostolischen Kirche, teil.
Zum Programm gehörte zudem die Besichtigung der umfangreichen Renovierungsarbeiten an der Hauptkathedrale der Armenisch-Apostolischen Kirche (âMother Cathedral of Holy Etchmiadzinâ), die 301â303 erbaut und 480, 618 und 1648 erweitert wurde.
Sie liegt in Vagharshapat, einer Stadt 18 km westlich von Jerewan, lange als âheilige Stadtâ oder âspirituelle Hauptstadt Armeniensâ bekannt. Von 102 bis 330 war Vagharshapat die erste Hauptstadt Armeniens und später immer wieder Hauptstadt von GroÃarmenien. Sie wurde dabei oft nach dem Sitz der Kirche Etschmiadsin genannt, verlor ihre Bedeutung Anfang des 20. Jh., wuchs dann aber in der späteren Sowjetzeit enorm und wurde zur Vorstadt Jerewans.
Das Königreich Armenien war unter König Tiridates III. (Trdat III.) der erste Staat, der 301/303 oder 315 n. Chr. das Christentum als Staatsreligion annahm. Das Christentum in Armenien geht wohl auf das Wirken der Apostel Bartholomäus und Thaddeus zurück, auch wenn historische Quellen fehlen.
Die armenische Kirche gehört zu den sieben altorientalischen Kirchen, die früher von den West- und Ostkirchen als âMonophysitenâ bezeichnet und der Häresie angeklagt wurden. Inzwischen gilt diese Bezeichnung als falsch, und es wird die Selbstbezeichnung âMiaphysitenâ verwendet. Es ist allgemein bekannt, dass die theologischen Unterschiede durch einen unterschiedlichen Gebrauch des Wortes für âNaturâ (griech. âphysisâ) in Bezug auf Jesus Christus entstanden, alle Kirchen aber gemeinsam bekennen, dass der eine Jesus als Person des dreieinigen Gottes sowohl wahrer Gott als auch wahrer Mensch ist.
Downloads und Links:
Foto 1: Thomas Schirrmacher mit dem Präsidenten von Armenien, Armen Sarkissjan © BQ/Schirrmacher
Foto 2: Audienz für Thomas Schirrmacher beim Katholikos und Patriarch der Armenisch-Apostolischen Kirche, Karekin II. Nersissian © BQ/Schirrmacher
Foto 3: Thomas Schirrmacher kniet am armenischen Völkermorddenkmal Zizernakaberd in Jerewan © BQ/Schirrmacher
Foto 4: Thomas und Christine Schirrmacher im Gespräch mit den Vorsitzenden mehrere armenischer Menschenrechtsorganisationen © BQ/Schirrmacher
Foto 5: Thomas Schirrmacher im Gespräch mit Karen Zadoyan (Mitte), Präsident der Armenian Lawyerâs Association, und weiteren Vorstandsmitgliedern © BQ/Schirrmacher
Foto 6: Thomas Schirrmacher beim früheren Präsidenten von Armenien, Robert Kotscharjan (1998â2008) © BQ/Schirrmacher
Foto 7: Thomas Schirrmacher im armenischen Parlament bei Eduard Sharmazanov, seit 2011 Vizepräsident der Nationalversammlung der Republik Armeniens und Sprecher der Republikanischen Partei (offizielles Parlamentsfoto) © National Assembly of the Republic of Armenia
Foto 8: Thomas Schirrmacher im armenischen Parlament bei Eduard Sharmazanov, seit 2011 Vizepräsident der Nationalversammlung der Republik Armeniens und Sprecher der Republikanischen Partei © BQ/Schirrmacher
Foto 9: (v.l.) Dr. Gayene Werk (Deutsch-armenische Gesellschaft), Thomas und Christine Schirrmacher sowie Bela Shikaryan (Vorsitzende IGFM/ISHR Armenien) vor dem armenischen Völkermorddenkmal Zizernakaberd in Jerewan © BQ/Schirrmacher
Foto 10: Thomas Schirrmacher mit Bela Shikaryan, Vorsitzende der IGFM/ISHR Armenien, im armenischen Völkermorddenkmal Zizernakaberd in Jerewan © BQ/Schirrmacher
Foto 11: Thomas und Christine Schirrmacher im armenischen Völkermorddenkmal Zizernakaberd in Jerewan © BQ/Schirrmacher
Foto 12: Das Museum unter dem armenischen Völkermorddenkmal Zizernakaberd in Jerewan © BQ/Schirrmacher
Foto 13: Thomas Schirrmacher übergibt dem armenischen Katholikos Karekin II. Nersissian ein Buch des Global Christian Forum © BQ/Schirrmacher
Foto 14: Bischof Shahe Ananyan, Direktor des Departments für ökumenische Beziehungen des Muttersitzes des Heiligen Estchmiadsin der Armenisch-Apostolischen Kirche © BQ/Schirrmacher
Foto 15: Thomas Schirrmacher im Sitz der Armenian Lawyerâs Association in Jerewan © BQ/Schirrmacher
Foto 16: Zwei der ältesten Kirchen Armeniens aus dem 4. Jahrhundert © BQ/Schirrmacher
Foto 17: Christine Schirrmacher vor der einzigen Moschee in Jerewan, einem alten persischen Bau, der mit Hilfe des befreundeten Nachbarstaates Iran wiederaufgebaut wurde © BQ/Schirrmacher
Foto 18: (v.l.) Dr. Gayene Werk (Deutsch-armenische Gesellschaft), Thomas Schirrmacher und Armen Sarkissjan, Präsident von Armenien © BQ/Schirrmacher
Foto 19 Thomas Schirrmacher mit der First Lady von Armenien © BQ/Schirrmacher
Foto 20: Thomas Schirrmacher begrüÃt den armenischen Katholikos und Patriarch Karekin II. Nersissian in Berlin zum Reformationsgedenken 2017 © BQ/Schirrmacher
Foto 21: Die Kathedrale der Armenisch-Apostolischen Kirche (âMother Cathedral of Holy Etchmiadzinâ), erbaut 301â303, neben dem Sitz des Katholikos in Vagharshapat © BQ/Schirrmacher
