Bonner Querschnitte 51/2019 Ausgabe 615
Zurückâ??Der Islamismus erhebt politische Machtansprüche, die religiös bemäntelt werdenâ??
Christine Schirrmacher auf der Tagung in der Evangelischen Akademie Hofgeismar
(Bonn, 18.11.2019) Bei der Tagung âExtremismus, Ideologie und Gewaltâ in der Evangelischen Akademie Hofgeismar vertrat die Professorin für Islamwissenschaft in Bonn und Leuven, Christine Schirrmacher, die Auffassung, dass Selbstmordattentate vorrangig politische Ziele durchsetzen sollen, die religiös aufgeladen werden. âWenn islamistische Bewegungen Selbstmordattentate und Märtyrertum als Pflichtenlehre des frühen Islam verkaufen, geht es im Kern um politische Machtansprüche, die religiös bemäntelt werdenâ, so Schirrmacher wörtlich.
In ihrem Vortrag âIdeologische Rechtfertigungen von Selbstmordattentaten und Märtyrertum als âKampf auf dem Weg Gottesâ in islamistischen Bewegungen der Gegenwartâ vertrat Schirrmacher, die regelmäÃig Bundesbehörden und Politik in Sachen Islamismus berät, die Auffassung, dass Islamisten weniger den klassischen Positionen der islamischen Theologie folgten, sondern sich ihre eigene Lehre zurechtmachten.
Im Koran, so Schirrmacher, nehme der Begriff âshahidâ (Zeuge) in der Bedeutung des âMärtyrersâ nur eine marginale Stellung ein. Die Frage, wer überhaupt als Märtyrer zu betrachten sei und wer den von islamischen Theologen rundheraus verurteilten Selbstmord begehe, werde seit Jahrhunderten kontrovers diskutiert. Das Märtyrertum aktiv zu suchen oder es sogar zum Kriterium von Glaube und Unglaube zu machen, werde bis heute von den meisten muslimischen Theologen verurteilt.
Schirrmacher verwies darauf, dass das Märtyrertum im 20. Jahrhundert im Nahen Osten erst von säkular-nationalistischen Bewegungen eingesetzt wurde. Erst aufgrund von deren Erfolgen mit Selbstmordattentaten seien diese von islamistischen Gruppierungen übernommen und im Nachhinein theologisch aufgewertet worden.
Obwohl, so Schirrmacher weiter, islamistische Bewegungen sich mit den Etiketten rigoroser Rechtgläubigkeit, theologischer Kompromisslosigkeit und puristischer Strenge schmückten, nähmen sie de facto theologische Liberalisierungen vor und deuteten klassisch-theologische Konzepte um. âSo geben sie Frauen die Erlaubnis, in den Krieg zu ziehen (wie zuletzt beim IS) und selbst Märtyreroperationen durchzuführenâ, so Schirrmacher wörtlich.
Zuletzt hatte Christine Schirrmacher 2017 zum Islamismus an der Evangelischen Akademie Hofgeismar referiert. Auf der Tagung âIslamistischer Terror â Herausforderung für die freie Gesellschaftâ refererierte sie seinerzeit über âal-Qaida, Salafismus und Islamischer Staat (IS): Geschichtliche, politische und theologische Ursachen für ihre Attraktivität im Nahen Osten und Europaâ.
Downloads und Links:
- Foto 1: Christine Schirrmacher in der Evangelischen Akademie Hofgeismar © BQ/Esther Schirrmacher
- Foto 2: Das Schlösschen Schönburg, Veranstaltungsort der Tagung © BQ/Esther Schirrmacher
- Foto 3: Die Evangelischen Akademie Hofgeismar vom Park aus gesehen © BQ/Esther Schirrmacher
- Das Tagungsprogramm: https://cloud.akademie-hofgeismar.de/2019/115986.pdf
- Internetseite der Evangelischen Akademie Hofgeismar: https://www.akademie-hofgeismar.de
- Bericht zur Tagung 2017: https://akademie-hofgeismar.de/aktuell/index_670.php
